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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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Ein schöner Name.“
    Taiki machte sich bereit. Er setzte sich neben den Strohsack des Kindes und summte eine leise Melodie, die den Schlaf des Kindes vertiefte und ihn selber beruhigte. Dann legte er seine linke Hand auf die Brust des Jungen und sammelte seine Lichtkraft. Behutsam spürte er den Umrissen des Herzmuskels nach, machte sich vertraut damit. Ging dann in tiefere Schichten und tastete nach dem Loch in der Herzscheidewand. Nahm, ohne es mit dem Verstand erfassen zu können, Kontakt mit den kleinsten Teilen des Organs auf. Er sandte an jedes Einzelne zugleich ein mentales Bild von gesundem Wachstum und Vollständigkeit. Mit seiner Vorstellungskraft formte er ein Bild einer heilen Herzscheidewand und lockte die winzigen Herzwesenheiten, ermunterte sie, dem Bild zu folgen und es wahr werden zu lassen. Sachte steigerte er den Energiefluss. Sie nahmen ihn wahr! Erfassten seine Absicht und folgten seinem Willen, machten seinen Willen zu ihrem Willen. Langsam bildeten sich neue Wesenheiten und das Loch schloss sich immer mehr. Inzwischen standen Taiki große Schweißperlen auf seiner Stirn. Er schaffte es kaum noch, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Hätte er doch bloß vorher etwas gegessen. Und dann geschah es. Das Herz des Jungen geriet aus dem Takt, es stolperte und durch die enge energetische Verbindung zwischen Taiki und Fredegar sprang die Unregelmäßigkeit auf Taikis Körper über. Schockiert ließ Taiki die Verbindung abbrechen, griff sich ans Herz und versuchte, der aufsteigenden Panik Herr zu werden.
    „Was passiert hier? Was tust du mit Fredegar?“ Wütend packte der Vater ihn am Kragen und schüttelte ihn durch.
    „Nein, bei allen Göttern, lasst das! Sonst stirbt euer Sohn. Ich muss mich wieder mit ihm verbinden.“ Taiki schlug den Mann beiseite und versuchte sein eigenes Herz in den natürlichen Rhythmus zurückzubringen. Gleichzeitig ließ er sein goldenes Licht in den Brustkorb des Jungen fließen. Er bot seine letzte Kraft auf und konzentrierte sich aufs Äußerste und brachte schließlich Fredegars flatterndes Herz dazu, sich seinem eigenen Rhythmus in etwa anzupassen. Und dann, nach einer Weile, ließ er es ganz langsam los und es schlug wieder in seinem eigenen Takt, zu seiner eigenen Musik des Lebens.
    Inzwischen war die Sonne aufgegangen. Ihr Licht fiel durchs Fenster auf ein Kind, dessen Haut sich rosig färbte. Fredegar räkelte sich etwas und schlief dann ganz entspannt weiter. Taiki taumelte schweißüberströmt vor die Hütte und rang nach Luft. Das hätte nicht passieren dürfen. Das Wagnis war einfach zu groß gewesen. Und doch. Es hatte den Anschein, als wäre der Junge genesen. Und dann sah er, dass der Wagen der Gaukler nicht mehr dort stand, wo er am Abend noch gewesen war. Sie waren ohne ihn abgereist. Entkräftet sank er zu Boden und starrte ins Leere.
     
    „Das darf doch nicht wahr sein! Bei allen gelbäugigen Teufeln der Hölle, wieso musst du dich so aufregen? Du machst mir noch das Pferd scheu! Nimm die Finger von den Zügeln!“
    „Ziehvater, du bist ein Scheusal. Kehre sofort um, oder ich werde mich weigern zu tanzen. Das schwöre ich bei den Seelen meiner Ahnen . Ich tanze nie wieder, wenn wir nicht sofort umkehren und Taiki holen.“
    „Ach, der Kerl ist doch nicht ganz bei Trost! Vielleicht ist das Kind längst tot und die Dörfler geben ihm dann die Schuld. Oder er hat versagt und konnte sein Heilversprechen nicht halten. Was meinst du wohl, was sie mit ihm machen, sobald einer nur was von schwarzer Magie faselt? Aufknüpfen werden sie ihn, in tausend Stücke reißen! Und uns dazu, wenn wir zurückfahren. Nein. Wir fahren weiter.“
    „Nein!“
    Kiri sprang schäumend vor Wut vom Kutschbock, mitten während der Fahrt. Sie wusste, dass Dorian letztlich nachgeben würde, denn ohne sie und ihren Tanz und den Liebreiz ihrer Jugend war die kleine Gauklertruppe keinen Pfifferling mehr wert. Auch wenn Taiki für sie kein lohnendes Ziel als Ehemann mehr war, so mochte sie ihn doch gut leiden. Außerdem hatte sie einen Rest Ehre im Leib. Sie schritt guten Mutes voran in Richtung Kornweiler und drehte sich nicht ein einziges Mal um. Nach einer halben Meile hörte sie hinter sich den Wagen heranrollen. Ein triumphierendes Lächeln zog über ihr hübsches Gesicht.
     
    Sie fuhren seit Stunden durch den ausgedehnten Wolfswald. Im Wagen herrschte jetzt eisiges Schweigen. Nachdem sie Taiki in Kornweiler wieder aufgenommen hatten, tischte der alte Gaukler zunächst

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