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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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wie große Brüder waren, und er vermisste auch Arik, der für ihn wie ein Vater war. Die einzige „echte“ Familie, die er kannte. Die Einzigen, die ihn wirklich liebten. Doch Taiki wusste auch, dass er nie wieder zurückkonnte in sein altes Leben. Das wäre sein sicherer Tod. Ladici hasste ihn. Andererseits – auch hier, in der damals so heiß ersehnten Freiheit, lauerten Tod und Verrat an allen Ecken und Enden. Warum noch weiterleben? Wofür? Was sollte er nur als nächstes tun?
    Mutlos und blass schälte er sich aus seiner Lederdecke und trottete langsam zum Bach, schöpfte durstig mit beiden Händen Wasser. Eine Entenmutter mit fünf Küken schwamm auf der anderen Seite des Ufers entlang.
    „Du hast es leichter als ich, Ente. Du weißt immer, was du als nächstes zu tun hast.“
    Taiki spürte, wie seine Blase nach Entleerung verlangte und schlurfte mit gesenktem Blick zur nächsten Silberweide, die hier am Bachufer so reichlich wuchsen, um in der Deckung des Baumes sein Wasser abzuschlagen.
    „Ich hoffe, du tust nicht, was zu tun du hierhergekommen bist!“
    Erschrocken schaute Taiki auf und raffte seinen Hosenbund. Ein Mann mittleren Alters saß unter der Weide und grinste ihn an.
    „Hatte Euch nicht gesehen“ nuschelte Taiki und wählte sich ein anderes Fleckchen, um sich zu erleichtern. Danach suchte er seinen Schlafplatz wieder auf, um sein Bündel zu holen, das noch unter der Baumwurzel lag. Seine Schlafdecke wickelte er lose herum und er griff sich den kleinen Proviantbeutel, ging dann ein paar Schritte in Richtung Weg, der wohl nach Gerhardsbruck führen mochte. Unentschlossen verharrte er dort, denn Schwindel und Schwäche überkamen ihn. Da hörte er Schritte hinter sich. Der Mann, den er fast bepinkelt hätte, kam lächelnd auf ihn zu.
    „Was wollt Ihr von mir?“
    „Dich zum Frühstück einladen, Junge. Es ist ein einfaches Mahl, aber nahrhaft. Du siehst aus, als könntest du was Gutes zwischen die Zähne brauchen, bevor du deinen Weg fortsetzt.“
    Taiki zögerte. Der Mann wirkte freundlich, aber war er es auch tatsächlich? Er vergewisserte sich unauffällig tastend, ob sein Dolch im Bündel lag. Ja. Gut. Mit einem knappen Nicken nahm er die Gastfreundschaft des Fremden an und folgte ihm zu der Weide.
    „Mein Name lautet Aidan. Und mit wem teile ich mein Brot?“
    „Taiki.“
    Aidan reichte seinem Gast ein großes Stück Fladenbrot und etwas Schafskäse und begann ein kleines Feuer zu entfachen, um Tee kochen zu können. Schweigend aßen die beiden Männer, während das Wasser langsam erhitzte. Der eine war still und verschlossen, der andere freundlich abwartend. Als das Wasser im kleinen Kessel zu brodeln begann, nahm der Gastgeber einige getrocknete Kräuter aus seiner Reisetasche, stellte sie mit geübtem Augenmaß zusammen und goss für Taiki einen anderen Tee auf als für sich selbst. Er deckte die Tonbecher mit einem dicken Lederflicken ab und ließ den Tee noch einige Minuten ziehen, bevor er ihn seinem Gast reichte.
    „Mhh… Lavendel und Melisse. Wahrscheinlich auch noch Johanniskraut. Und etwas, was ich nicht kenne.“ Taiki schnupperte am Tee und kostete ihn vorsichtig, denn er war sehr heiß.
    Guck mal an, dachte Aidan überrascht. Er versteht was von Heilkräutern!
    „Warum?“
    „Warum was?“
    „Warum gebt ihr mir einen Tee, der nervenberuhigend wirkt?“
    „Weil du genau das brauchst.“
    „Woher wollt Ihr das wissen?“
    „Um ehrlich zu sein, ich bin schon seit Stunden in deiner Nähe, Junge. Du hast schwer geträumt und hast im Traum um Hilfe gerufen und auch geweint. Ich hielt es für besser, über dich zu wachen. Vor allem hier in der Nähe des Wolfswaldes, wo die Vogelfreien ihr Unwesen treiben.“
    Taiki verzog sein Gesicht und schaute noch finsterer drein.
    „Oh, ich sehe, du hast mit denen schon Bekanntschaft geschlossen.“
    „So würde ich es nicht nennen wollen.“
    „Was haben sie dir angetan?“
    Taiki machte eine abweisende Geste und zog sich in sein Inneres zurück, kaute das restliche Brot und trank den Tee aus.
    Der Mann namens Aidan betrachtete seinen Schutzbefohlenen genauer. Irgendwas an ihm war wie ein Echo aus seiner Vergangenheit. Was war es nur? Die auffällig schwarzen Haare, die sicher mal glatt und glänzend gewesen waren? Die grünen Augen? Was war dem Jungen nur zugestoßen, dass er hier so still und gleichgültig ins Feuer starrte? Seine Not lag offen zutage. Ohne Frage war es für ihn als Mitglied der Bruderschaft vom Orden der

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