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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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eine fadenscheinige Geschichte von einer Hornisse auf, die den alten Gaul hatte durchgehen lassen, und sie wären im Schlaf davon überrascht worden. Ob die Hornisse auch das Pferd vor den Wagen gespannt hätte, wollte Taiki wissen. Er sei schließlich nicht blöd! Bartholo, Dorian und Taiki stritten sich und überhäuften sich gegenseitig mit Vorwürfen und Beleidigungen. Ehrlosigkeit! Leichtsinn! Größenwahn! Verantwortungslosigkeit! Treuebruch! Erst als Kiri sich energisch einmischte, hörten sie mit dem Gebrüll auf. Letztlich waren sie alle übereingekommen, dass ihre Wege sich in Gerhardsbruck trennen würden. Nach der Durchquerung des Wolfswaldes mussten sie noch mit vereinter Kraft das Flussbett der Riesa überwinden, um zur Stadt zu gelangen, aber danach wäre Schluss. Es war einfach keine Vertrauensbasis mehr da. Taiki hatte dann die Zügel übernommen und saß vorne neben Kiri auf dem Kutschbock. Dorian machte im Wagen ein Nickerchen und schnarchte wie ein Bär im Winterschlaf.
    „Haltet mal kurz an. Der Zank hat mir aufs Gedärm geschlagen.“
    Bartholo sprang hinten aus dem Wagen raus und schlug sich in die Büsche. Und dann geschah gleich darauf alles auf einmal. Auf beiden Seiten des Waldweges sprangen zwei grobschlächtige Wegelagerer von den Bäumen herunter und griffen mit der Verzweiflung, die aus Hunger und Not geboren wird, an. Kiri wurde brutal vom Kutschbock gezerrt und der andere schlug mit einem Prügel auf Taiki ein, der dem Mädchen zu Hilfe eilen wollte. Ein dritter, von wesentlich kleinerer Gestalt als seine Kumpane, schlich sich aus einem Versteck heraus an den Wagen heran und kletterte flink hinein, um ihn auszuplündern. Doch er hatte die Rechnung ohne Dorian gemacht. Der Alte warf den dürren, zerlumpten Jungen in hohem Bogen hinaus, der hart auf dem Rücken aufschlug und benommen liegen blieb. Dorian eilte zum Kutschbock um das stampfende, mit den Augen rollende Pferd unter Kontrolle zu bekommen. Bartholo kam angerannt. Er schlug mit aller Kraft mit einem großen Stein auf den Schädel des Mannes, der Kiri in den Wald verschleppen wollte. Dieser brach lautlos zusammen und starb auf der Stelle. Der Gaukler warf sich die bewusstlose Kiri über die Schulter, hastete mit ihr zum Wagen, warf sie hinein und sprang selber hinterher. Dorian zögerte nicht eine Sekunde. Er trieb das Pferd an und flüchtete. Taiki, der immer noch in den Kampf verwickelt war, blieb zurück. Er hatte keine Kampferfahrung und war für sein Alter relativ klein und schwach. Er roch den stinkenden Atem seines Peinigers. Große Wut überkam ihn. Wut auf den Räuber, Wut auf die Gaukler, die ihn heute zum zweiten Mal im Stich gelassen hatten. Er konnte sich im letzten Moment wegdrehen, so dass er nicht erschlagen wurde. Und dann übernahmen seine Instinkte das Ruder. Sein Körper mochte ja schwach sein, aber nicht sein Geist. Blitzartig griff er mit seinen mentalen Kräften in das Innere seines Peinigers. Der Mann ließ augenblicklich den Prügel fallen und griff sich keuchend an die Brust. Eine unsichtbare eiskalte Hand hatte sich um sein Herz gelegt und drückte langsam zu, packte den glitschigen roten Muskel und brachte ihn aus dem Takt.
    „Na, wie gefällt dir das?“ Taiki richtete sich langsam auf, wischte sich den Blutfaden von seinen Lippen und ließ das Herz des Räubers wieder los. Stattdessen griff er nun nach der Kehle des Mannes und schnürte ihm die Luft ab. Mit Wonne sah er, wie dieser stinkende Mistkerl röchelnd vor ihm auf die Knie sank. Taiki ließ sich von seiner Macht berauschen und brüllte ihn an:
    „Hast du immer noch Lust, mich zu erschlagen? Merkst du jetzt, dass ich dir überlegen bin? Ich kann mit dir machen, was ich will!“
    Taiki überlegte fieberhaft, wie er ihn töten sollte. Ihm die letzte Luft nehmen? Oder sollte er ein Blutgefäß in seinem Hirn platzen lassen? Oder zwei? Sein Hass wuchs von Sekunde zu Sekunde.
    Da kam der dürre Junge heulend auf allen Vieren heran und warf sich zwischen Taiki und den sich jetzt langsam blau färbenden Mann.
    „Vater, Vater! Was ist mit dir?“
    Das Weinen des Kindes brachte Taiki wieder zur Vernunft. Entsetzt über sich selbst entließ er den Mann aus seinem Klammergriff und taumelte zurück. Fast hätte er vor den Augen dieses Kindes den Mann getötet!
    Mit großer Angst in den Augen nahm der Vogelfreie seinen Jungen an die Hand und lief erschöpft in den dichten Wald davon, als wäre der gelbäugige Dämon selbst ihnen auf den

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