Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
der Seite in die Brust gewandert und drückte ihn nieder wie ein schwerer Stein.
»Baldor!«
»Meister Robinton!« Der Harfner von Ista beugte sich über ihn. Seine Miene verriet Bestürzung, als er Robinton zu einer Bank führte. »Sie sehen ja ganz grau aus! Und Ihre Lippen sind blau verfärbt!«
»Grau – genauso fühle ich mich. Meine Brust! Wein! Ich brauche Wein!«
Der Raum begann sich immer enger um den Harfner zu schließen. Er konnte kaum atmen. Er vernahm Rufe, spürte Panik ringsum und versuchte sich aufzuraffen, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. Hände drängten ihn zurück, bis er flach dalag und überhaupt keine Luft mehr bekam. Er kämpfte sich hoch.
»Laßt ihn! So fällt ihm das Atmen leichter!«
Schwach erkannte Robinton Lessas Stimme. Wie kam sie hierher? Dann stützte ihn jemand, und die Angst vor dem Ersticken wich. Wenn er nur ausruhen könnte, ein wenig schlafen!
»Sorgt dafür, daß niemand den Raum betritt!« befahl Lessa.
Harfner, Harfner, hörst du uns? Hör uns zu! Harfner, du darfst jetzt nicht einschlafen! Bleib bei uns! Harfner, wir brauchen dich! Wir lieben dich. Hör uns zu!
Die Stimmen in seinem Kopf waren fremd. Warum schwiegen sie nicht endlich, damit er sich mit den Schmerzen in seiner Brust beschäftigen konnte, damit er die verzweifelt ersehnte Ruhe fand?
Harfner, du darfst uns nicht allein lassen! Du mußt bei uns bleiben! Harfner, wir lieben dich.
Die Stimmen verwirrten ihn. Er kannte sie nicht. Weder F’lar noch Lessa sprachen so. Es waren dunkle, beharrliche Stimmen, und er hörte sie in seinem Innern, wo er sie nicht verdrängen konnte. Er war so unsäglich müde. T’kul hatte es nicht mehr geschafft, seinen Drachen zum Paarungsflug zu zwingen. Und er hatte den Kampf gegen F’lar verloren. Dabei war er selbst viel älter als T’kul, der jetzt tot dalag. Wenn ihn die Stimmen nur schlafen ließen! Er war so müde.
Wir können dich noch nicht schlafen lassen, Harfner. Wir sind bei dir. Verlaß uns nicht! Harfner, du mußt am Leben bleiben! Wir lieben dich.
Am Leben bleiben? Aber sicher, was denn sonst! Alberne Stimmen! Er war nur müde. Er wollte schlafen.
Harfner, Harfner, verlaß uns nicht! Harfner, wir lieben dich. Geh nicht fort!
Die Stimmen waren nicht laut, aber sie blieben hartnäckig in ihm, in seiner Seele. Das war es. Sie ließen seine Seele nicht frei.
Aber auch von außen wurde er bedrängt. Jemand hielt ihm ein Glas an die Lippen.
»Meister Robinton, Sie müssen versuchen, die Medizin zu schlucken. Bitte, helfen Sie mit! Das lindert den Schmerz.« Diese Stimme kannte er. Lessa. Weshalb wirkte sie so bestürzt?
Aber natürlich! F’lar hatte einen Drachenreiter getötet. Und dann all der Wirbel um das geraubte Ei und die zornige Drachenkönigin…
Harfner, du mußt Lessa gehorchen. Tu, was Lessa sagt! Öffne die Lippen! Du mußt es versuchen, Harfner!
Er konnte Lessa beiseiteschieben, er konnte den Becher zurückstoßen und versuchen, die bittere Medizin auszuspucken, aber er konnte sich nicht gegen diese eindringlichen Stimmen wehren. Er ließ es zu, daß sie ihm Wein einflößten, und schluckte die Pille herunter. Wenigstens gaben sie ihm Wein und kein Wasser. Wasser war so würdelos. Zu den Schmerzen in seiner Brust paßte Wein, kein Wasser.
Etwas in seinem Innern schien zu zerreißen. Ah, der Schmerz – er ließ nach, als sei das Band zerrissen, das sein Herz zusammengepreßt hatte.
Er seufzte erleichtert. Seltsam, daß man es immer als selbstverständlich betrachtete, keine Schmerzen zu haben. Das war ungerecht.
»Nehmen Sie noch einen Schluck, Meister!« Wieder spürte er den Becher an den Lippen.
Wein – ja, das würde sein Leiden kurieren. Wein hatte ihn stets auf die Beine gebracht. Aber er sehnte sich immer noch nach Schlaf. Er war so unendlich müde.
»Und noch einen Schluck!«
Schlafen kannst du später. Hör uns zu! Du mußt bei uns bleiben! Hör zu, Harfner! Wir lieben dich. Du mußt bleiben.
Der Harfner fand ihre Beharrlichkeit lästig.
»Wie lange dauert es denn noch, bis der Mann hier ist?« Das war Lessas Stimme, und sie klang heftiger denn je. Weshalb weinte sie denn? Lessa und Tränen?
Lessa weint um dich. Du willst doch nicht, daß sie weint! Bleib bei uns, Harfner! Du kannst nicht gehen. Wir lassen dich nicht fort. Lessa darf nicht weinen, oder?
Das stimmte. Lessa durfte nicht weinen. Robinton glaubte auch nicht, daß sie weinte. Er zwang sich, die Augen aufzuschlagen. Sie stand über ihn
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