Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
gebeugt – und sie weinte! Tränen rollten auf seine Hand, die schlaff über der Brust lag.
»Sie dürfen nicht weinen, Lessa!« Beim Ei, seine Stimme versagte schon wieder. Er räusperte sich. Aber er brachte keinen Ton heraus.
»Nicht sprechen, Robinton!« sagte Lessa und unterdrückte ihr Schluchzen. »Sie müssen ganz still liegenbleiben. Oldive ist bereits auf dem Weg hierher – per Zeitsprung, damit es schneller geht. Entspannen Sie sich! Noch etwas Wein?«
»Hätte ich so ein Angebot je ausgeschlagen?«
»Nein!« Und Lessa lachte und weinte gleichzeitig.
»Die Stimmen plagen mich – sie wollen mich nicht fortlassen. Sagen Sie ihnen, daß ich schlafen will, Lessa! Ich bin so müde.«
»Bitte, Meister Robinton!«
Bitte was?
Harfner, bleib bei uns! Lessa wäre untröstlich!
»Endlich, Meister Oldive! Hierher!« Das war Lessa. Sie entfernte sich von seinem Lager.
Robinton versuchte sie festzuhalten.
»Nicht anstrengen!« Sie kauerte wieder neben ihm. Liebe Lessa! Selbst wenn er wütend auf sie war, liebte er sie. Vielleicht um so mehr, denn ihre Schönheit kam erst voll zur Geltung, wenn sie wütend war.
»Nun, Meister Robinton?« Oldives sanfte Stimme erklang dicht neben seinem Ohr. »Wieder die Schmerzen in der Brust? Nicken Sie einfach! Mir ist es lieber, wenn Sie im Moment nicht sprechen.«
Ramoth erklärt, daß er große Schmerzen hat und sehr müde ist.
»Oh? Das ist ja prächtig, daß die Drachenkönigin seine Gedanken auffängt!«
Meister Oldive preßte kalte Instrumente auf seine Brust und gegen seinen Arm. Robinton hätte sich gern zur Wehr gesetzt. »Ja, ich weiß, die Dinger sind kalt, mein lieber Harfner, aber das läßt sich nicht ändern. Nun hören Sie mir gut zu! Sie haben Ihrem Herzen eine Menge zugemutet. Das war der Druck in der Brust. Lessa hat Ihnen eine Pille gegeben, die den Schmerz im Moment etwas betäubt. Die akute Gefahr ist vorüber. Versuchen Sie jetzt zu schlafen! Sie werden in nächster Zeit sehr viel Ruhe brauchen, mein Lieber. Sehr viel Ruhe!«
»Dann sagen Sie ihnen, daß sie still sein sollen!«
»Wer soll still sein?« Oldives Stimme klang besänftigend, und Robinton war insgeheim verärgert, weil er das Gefühl hatte, der Heiler glaubte ihm nicht. »Hier nehmen Sie noch eine Pille und einen Schluck Wein! Ich weiß, daß Sie bei Wein nicht Nein sagen werden.«
Robinton lächelte schwach. Wie gut sie ihn kannten, Oldive und Lessa! »Ramoth und Mnementh haben versucht, ihn zurückzuholen, Oldive. Sie erklärten, daß er um ein Haar gegangen wäre…« Lessa konnte nicht weitersprechen.
Um ein Haar gegangen – tatsächlich? Fühlte man sich so, wenn man dem Tod nahe war? Als sei man einfach müde?
Jetzt bleibst du bei uns, Harfner. Jetzt können wir dich schlafen lassen. Aber wir werden auf dich achten. Wir lieben dich.
Drachen, die Kontakt mit mir aufnehmen? Drachen, die mich vor dem Tod bewahren? Wie schön! Denn sterben wollte ich wirklich noch nicht. Es gibt soviel zu tun. Probleme, die gelöst werden müssen. Da war doch die Sache mit dem Drachen…
»Wer hat Caylith geflogen?«
Hatte er das laut genug gefragt? Er hörte seine eigene Stimme nicht mehr.
»Was meint er, Oldive?« erkundigte sich Lessa.
»Irgend etwas mit Caylith.«
»Fällt ihm das ausgerechnet jetzt ein?« Lessa schien wieder die Alte zu sein, energisch und ein wenig bissig. »Barnath hat Caylith erobert, Robinton. Werden Sie jetzt schlafen?«
Schlaf, Meister! Wir achten gut auf dich.
Der Harfner atmete tief durch, ließ sich zurücksinken und schlief ein.
XV. Abend in Jaxoms Bucht und später Abend im Ista-Weyr,
28.8.15
Sharra legte gerade mit Stöcken und Kieseln ein Spiel, das bei den Kindern im Süden sehr beliebt war, und versuchte Jaxom und Brekke die Regeln zu erklären, als sich Ruth, der gleich hinter ihnen schlief, plötzlich aufbäumte. Er reckte den Hals und stieß den langgezogenen, klagenden Laut aus, der den Tod eines Drachen verkündete.
»Das darf nicht wahr sein!« Brekke reagierte etwas schneller als Jaxom. »Salth lebt nicht mehr!«
»Salth?« Jaxom überlegte, zu welchem Reiter das Tier gehören mochte.
»Salth!« Sharra war mit einem Mal aschfahl. »Frag Ruth, wo er umkam!«
»Canth berichtet, daß er versuchte, Caylith zu erobern, und dabei sein Herz überanstrengte.« Brekke sagte es ganz leise. Sie war in sich zusammengesunken und durchlebte noch einmal die Trauer, die sie beim tragischen Tod ihrer eigenen Drachenkönigin empfunden hatte. »Der
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