Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
Gestalten am Waldesrand, die Flucht ergriffen. Sie schwebten noch einen Moment in sicherer Entfernung und verschwanden dann.
»Ruf sie zurück, Ruth! Wir müssen herausbringen, in welcher Zeit sich D’ram befindet.«
Ruth schwieg einen Moment lang, und seine Augen kreisten langsamer. Dann schüttelte er den Kopf und erklärte seinem Reiter, daß sie fortgeflogen seien, weil sie den Erinnerungen an ihre Menschen nachhängen wollten.
»Die Südbewohner haben sie wohl nicht gemeint«, sagte Menolly, die von ihren Echsen Eindrücke des Gedankenaustausches erhalten hatte. »Denn dieser Bergkegel war im Hintergrund all ihrer Bilder.« Sie wandte sich um, obwohl sie den Berg jenseits des Waldes nicht sehen konnte. »Aber vielleicht Robinton und mich, als wir vom Sturm abgetrieben wurden – erinnerten sie sich an ein Boot, Ruth?« fragte Menolly den weißen Drachen und schaute Jaxom erwartungsvoll an.
Keiner hat mir gesagt, daß ich nach einem Boot fragen sollte, beschwerte sich Ruth. Aber sie erinnerten sich an einen Menschen und einen Drachen.
»Würden sie reagieren, wenn – wenn Tiroth ins Dazwischen gegangen wäre?«
Von sich aus? Um sein Leben zu beenden? Ja. Sie erinnerten sich nicht an Trauer. Ich erinnere mich an Trauer. Ich weiß noch genau, wie Mirath ging. Die Gedanken des weißen Drachen spiegelten seinen Schmerz wider. Jaxom eilte zu ihm und tröstete ihn.
»Was ist?« fragte Menolly angespannt; sie hatte den Gedankenaustausch zwischen den beiden Gefährten nicht verstanden.
»Ruth glaubt nicht an einen Selbstmord. Außerdem würde es ein Drache nie zulassen, daß sich sein Reiter etwas antut. D’ram kann gar keinen Selbstmord begehen, solange Tiroth lebt. Und Tiroth geht nicht ins Dazwischen, solange D’ram ihn braucht.«
Menolly seufzte. »Dann fehlt uns immer noch die Zeit, in der sie sich aufhalten.«
»Das stimmt. Mal überlegen… Wenn D’ram hier war und zwar lange genug, daß sich die Feuer-Echsen an ihn erinnern – wenn er plante, sich für ganz niederzulassen – dann hat er doch sicher eine Art Unterkunft gebaut. Es gibt Niederschläge in diesem Teil von Pern. Und Sporenregen…«
Jaxom hatte sich dem Waldesrand genähert und ließ die Blicke suchend umherschweifen. Plötzlich blieb er stehen. »He, Menolly – die Fäden fallen doch erst seit fünfzehn Planetenumläufen!
Das ist ein Sprung, den Tiroth ohne weiteres schafft. Die Alten kamen in Etappen von fünfundzwanzig Planetenumläufen zu uns. Ich möchte wetten, daß D’ram eine Zeit gewählt hat, als es noch keine Sporen regnete. Er hatte sicher mehr als genug von dieser Plage.« Jaxom lief zurück über den heißen Sand und schlüpfte in seine Kleider.
»Ich würde sagen, D’ram ist zwanzig bis fünfundzwanzig Planetenumläufe zurückgegangen. Ich probiere erst mal die längere Spanne. Sollte ich eine Spur von D’ram oder Tiroth entdecken, komme ich sofort zurück – Ehrenwort.«
Er schwang sich auf Ruths Rücken und befestigte seinen Helm, als der Drache bereits in der Luft kreiste.
»Jaxom, warte! Wir wollen nichts überstürzen…«
Menollys Worte gingen im Flügelrauschen des Drachen unter. Jaxom grinste vor sich hin, als er sie wütend im Sand hin-und herlaufen sah. Dann konzentrierte er sich auf den Zeitpunkt, den er ansteuern mußte: kurz vor Beginn der Morgendämmerung, wenn der Rote Stern ganz im Osten stand, ein blaß glimmender Punkt, noch nicht nahe genug, um das ahnungslose Pern mit Sporen zu überschütten. Aber noch während des Sprungs spürte er, daß Menolly das letzte Wort behalten hatte: Ein biegsamer, dünner Echsen-Schweif klammerte sich an seinem Hals fest, als er Ruth den Befehl zum Wechsel ins Dazwischen gab.
Es schien ein langer Übergang zu sein; er schwebte im Nichts des Dazwischen, und die Kälte sickerte langsam durch seine sonnengewärmte Haut bis an die Knochen. Er biß die Zähne zusammen. Und dann hatten sie es geschafft. Kühle Dämmerung umgab sie, und der Rote Stern glänzte matt am Horizont.
»Spürst du Tiroth, Ruth?« Jaxom konnte im Halbdunkel des jungen Tages, der so viele Planetenumläufe vor seiner Geburt lag, nichts erkennen.
Er schläft. Der Mann auch. Sie sind beide hier.
Freude und Erleichterung machte sich in seinem Innern breit. Jaxom bat Ruth, zu Menolly zurückzukehren, aber keinesfalls zu früh. Die Sonne diente ihnen als Orientierung. Sie stand hoch über dem Wald, als Ruth in der Bucht auftauchte.
Einen Moment lang sah er Menolly nirgends am Strand. Dann
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