Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
wiederholte er mit zusammengebissenen Zähnen und tauchte dann tief ins eiskalte Wasser des Sees.
Ich glaube, ich bin hungrig, meinte Ruth, während Jaxom gegen den Druck des Wassers und die Atemnot ankämpfte.
Jaxom tauchte prustend auf und holte tief Luft. »Ich kenne einen Hof im Süden von Ruatha, wo gerade eine Herde Wherhennen gemästet wird.«
Das klingt nicht schlecht.
Jaxom rubbelte sich schnell trocken, schlüpfte in seine Kleider und Schuhe und legte sich das feuchte Badetuch geistesabwesend über die Schultern, ehe er auf Ruths Rücken kletterte und den Freund ins Dazwischen führte. Als er die Eiseskälte des Dazwischen im Nacken spürte, wurde ihm sein leichtsinniges Handeln bewußt. Er konnte sich die schlimmste Erkältung holen.
Ruth stieß wie immer schnell auf seine Beute herab, ohne die übrigen Masthennen in Panik zu versetzen. Feuer-Echsen in den Farben von Ruatha tauchten auf und nahmen an dem Festmahl teil. Jaxom beobachtete die Szene. Er konnte freier denken, wenn Ruth damit beschäftigt war, seine Beute zu verzehren. Irgendwie empfand er Ekel vor sich selbst. Er hatte Corana ausgenutzt. Daß sie bereitwillig und gern auf seine sexuellen Wünsche eingegangen war, bedeutete ihm wenig Trost. Ihre bis dahin heitere Beziehung schien beschmutzt. Er war unschlüssig, ob er das Verhältnis überhaupt fortsetzen sollte – ein Gedanke, der neue Schuldgefühle in ihm weckte. Eines konnte er zu seinen Gunsten anführen: Er hatte den ganzen Acker gründlich gejätet. So bekam Corana wenigstens keine Vorwürfe von Fidello, daß sie ihre Arbeit vernachlässigte. Das junge Getreide war wichtig. Aber er hätte das Mädchen nicht auf diese Weise nehmen dürfen. Dafür gab es keine Entschuldigung.
Ihr hat es gefallen. Ruths Gedanken erreichten ihn so unerwartet, daß Jaxom sich kerzengerade aufsetzte.
»Woher weißt du das?«
Wenn du bei Corana bist, zeigt sie ebenso starke Gefühle wie du. Deshalb spüre ich auch sie. Sonst nicht. Es klang, als sei Ruth erleichtert, daß der Kontakt auf diese Ausnahmen beschränkt blieb.
Der weiße Drache kam langsam näher, satt und zufrieden.
»Und das, was du spürst, gefällt dir? Daß wir uns lieben, meine ich.« Jaxom hatte sich unvermittelt entschlossen, seine Besorgnis ehrlich zu äußern.
Ja. Dir macht es große Freude. Es ist gut für dich. Ich mag alles, was gut für dich ist.
Jaxom sprang auf, frustriert und zugleich erfüllt von Schuldgefühlen. »Aber du selbst möchtest dieses Gefühl nicht genießen? Warum kümmerst du dich immer nur um mich? Warum bist du nicht diesem grünen Drachenweibchen gefolgt?«
Weshalb beunruhigt dich das? Warum sollte ich das grüne Weibchen fliegen?
»Weil du ein Drache bist.«
Ich bin ein weißer Drache. Blaue und braune Drachen fliegen grüne Weibchen – auch mal ein Bronzedrache, wenn er sehr jung ist.
»Du hättest sie fliegen können, Ruth. Du hättest sie fliegen können.«
Ich wollte nicht. Du bist schon wieder erregt. Ich habe dich erregt. Ruth machte den Hals lang, und seine Nase stupste Jaxoms Wange an.
Jaxom warf die Arme um Ruth, preßte die Stirn gegen die glatte, duftende Haut und versicherte dem Freund immer wieder, wie sehr er ihn liebte, seinen außergewöhnlichen Drachen, den einzigen weißen Drachen von ganz Pern.
Ja, ich bin der einzige weiße Drache, den es je auf Pern gegeben hat, bestätigte Ruth. Er legte sich ein wenig zur Seite, so daß Jaxom sich in den Halbkreis seiner Pfoten schmiegen konnte. Ich bin der weiße Drache. Du bist mein Reiter. Wir gehören zusammen.
»Ja«, wiederholte Jaxom müde. »Wir gehören zusammen.«
Ein Frösteln überfiel ihn, und er nieste. Verdammt, wenn sie das auf der Burg merkten, mußte er eine dieser gräßlichen Medizinen schlucken, mit denen Deelan jeden belästigte. Er schloß die Reitjacke, wickelte sich das inzwischen trockene Badetuch um die Schultern und schlug Ruth vor, daß sie so rasch wie möglich nach Ruatha zurückkehren sollten.
Der Medizin entkam er nur, weil er Deelan aus dem Wege ging und sich mit der Entschuldigung, er habe etwas für Robinton zu erledigen, in seine eigenen Räume zurückzog. Er hoffte nur, daß sein Schnupfen nicht schlimmer wurde. Lytol stattete ihm abends sicher noch einen Besuch ab. Das brachte ihn auf den Gedanken, daß er auch irgend etwas vorweisen mußte, um den Vormund nicht mißtrauisch zu machen. Jaxom hatte in der Tat beabsichtigt, seine Eindrücke von jener herrlichen Bucht im Süden mit dem gewaltigen
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