Die Drachenreiter von Pern 06 - Drachentrommeln
wieder verlassen würde.
Von da an sagte er sich jeden Morgen und jeden Abend vor, daß er eigentlich die Burg des Südens aufsuchen und eine Nachricht an die Harfnerhalle schicken müßte.
Aber jeder Tag brachte neue, wichtige Aufgaben, die ihm keine Zeit ließen, Reisevorbereitungen zu treffen. Er mußte sich um Farli kümmern, die unglaublich schnell wuchs. Er baute eine Schutzhütte für die Nacht. Und er brauchte eine Ewigkeit, bis er einen Stachelschwanz erbeutete, mit dessen Öl er Farlis schuppige Haut einrieb.
Dann ging erneut ein Sporenregen nieder. Diesmal war Piemur gewarnt: Farli begann unvermittelt wild zu kreischen und mit den Flügeln zu schlagen, und ihre Augen glommen rot. Zornig flog sie nach Nordosten – und war mit einem Mal verschwunden. Sie war schon früher ins Dazwischen geflohen, erschreckt von irgendwelchen unbekannten Geräuschen, und so wurde Piemur erst unruhig, als sie nach geraumer Zeit nicht zurückkehrte. Was mochte sie wohl verängstigt haben? Er blickte nach Norden und stellte fest, daß die Tiere des Dschungels alle in Richtung des Flusses liefen. Ein Flammenblitz am fernen Himmel weckte seine Aufmerksamkeit, und er sah nicht nur die grausilbernen Fädenschleier, sondern auch die dunklen Punkte, die Drachengeschwader darstellten.
Gewarnt durch sein knappes Entkommen am Strand, hatte er Vorkehrungen für den nächsten Sporeneinfall getroffen. An der Stelle, wo der Fluß aus dem Wald trat, ragte ein umgestürzter Baumstamm ins Wasser. Nun sprang Piemur kopfüber in den Strom und tauchte in eine Tiefe, wo die Fäden nicht mehr lebensfähig waren. Einen Arm schlang er um den Baumstamm, mit dem anderen schob er ein Binsenrohr an die Wasseroberfläche, durch das er atmen konnte. Es war nicht das bequemste Versteck, und die Fische schienen seine Arme und Beine mit Fädenklumpen zu verwechseln, so daß er ständig strampelte und um sich schlug. Er hatte den Eindruck, daß es Stunden dauerte, bis keine Sporen mehr in die Tiefe sanken. Erleichtert schoß er nach oben – und wäre um ein Haar mit einem kleinen Renner zusammengestoßen. Im Wasser wimmelte es von Tieren aller Art. Als hätte er mit seinem Auftauchen ein Zeichen gesetzt, strebten sie nun alle wieder den Ufern zu, schüttelten das Wasser ab und flohen auf die Ebene hinaus. Einige waren von Fäden gezeichnet und wimmerten vor Schmerz. Zu Piemurs Verblüffung rannten die verletzten Tiere zu den Heilkraut-Dickichten und wälzten sich darin. Also kannten auch sie die schmerzstillende Wirkung dieser Sträucher.
Piemur watete ans Ufer, ließ sich zu Boden sinken und rief nach Farli. Seine Arme und Beine fühlten sich von dem langen Umherrudern unter Wasser wie Blei an.
Farli tauchte aus dem Nichts auf, landete auf seiner Schulter und wickelte den Schweif fest um seinen Hals. Ihr Stimmchen klang ängstlich und erleichtert zugleich. Piemur streichelte die kleine Königin, bis sie getröstet vor sich hin summte. Plötzlich jedoch versteifte sich der winzige Körper wieder. Farli starrte an ihm vorbei und begann dann wütend zu schimpfen. Piemur drehte sich um, entdeckte jedoch zunächst nichts Außergewöhnliches. Die Echse drehte den Kopf nach oben. Hoch über ihnen kreisten Where. Das bedeutete, daß ganz in der Nähe ein Geschöpf sein mußte, das den Fädeneinfall nicht überlebt hatte. Und wenn es für die Where als Beute in Frage kam, dann bot es vielleicht auch Nahrung für Piemur und Farli.
Farli schien ebenso begierig wie er, den Wheren zuvorzukommen, und sie kreischte begeistert, als er sich mit einem dicken Knüppel bewaffnete und die Böschung erklomm.
Die meisten Tiere, die im Fluß Zuflucht gesucht hatten, waren bereits verschwunden; Piemur hielt den Blick dennoch auf den Boden gerichtet, um nicht versehentlich auf eine Schlange oder Natter zu treten.
Der Renner lag halb verborgen unter einem Buschdickicht. Würmer krochen über seine Flanke, aber zu Piemurs Verblüffung schien sich das Tier plötzlich aufzubäumen. Lebte das arme Ding etwa noch? Piemur hob den Knüppel, um den Qualen des Tieres ein Ende zu bereiten, als er sah, daß sich unter dem Körper des Renners etwas bewegte. Es war ein schwaches, verzweifeltes Strampeln. Farli flog ihm von der Schulter und umkreiste laut zeternd einen winzigen Huf, der unter dem Kadaver hervorschaute und den Piemur bis jetzt nicht bemerkt hatte.
Mit einem erstaunten Ausruf zerrte Piemur den toten Renner zur Seite. Und er sah ein Fohlen, das sich zitternd hochstemmte und
Weitere Kostenlose Bücher