Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
durchdrang, verbarg sich hinter den geschlossenen Lidern…
»Ich weiß, daß ich Sie schon mal gesehen habe«, murmelte Tuero.
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die sich Harfnergesellen einprägen müssen«, entgegnete ich. »Kommen Sie, Tuero! Wir müssen ihn nach oben bringen. Er braucht dringend etwas Schlaf.«
»Ich bin nicht so sicher, daß ich noch gehen kann.«
»Versuchen Sie es!« Ich bin groß, aber nicht so groß wie Tuero oder Alessan und nicht kräftig genug, um Alessan allein von der Bank hochzustemmen. So legte ich einen der schlaffen Arme um meine Schultern und befahl Tuero, der sich schwankend erhoben hatte, den Burgherrn von der anderen Seite zu stützen.
Alessan war schwer. Und Tuero stellte keine große Hilfe dar. Er mußte sich selbst am Treppengeländer festhalten und Stufe um Stufe hochziehen. Zum Glück befand sich Alessans Suite gleich am Anfang des Korridors. Im Wohnzimmer standen noch die Faltbetten, die zur Aufnahme der Gäste gedient hatten. Die Unordnung erschreckte mich, aber Alessan hatte bis jetzt wichtigere Dinge erledigen müssen. Vielleicht konnten wir in den nächsten Tagen damit beginnen, die Wohnquartiere etwas aufzuräumen.
Dann betraten wir das Schlafgemach. Ich holte mit einem Ruck die schwere Felldecke von Alessans Bett. Sie fiel zu Boden und wickelte sich um meine Füße, so daß ich stolperte. Alessan plumpste wie ein Sack auf sein Bett. Tuero umklammerte den Bettpfosten und murmelte eine Entschuldigung, als er bei dem Manöver ein Stück des Bettvorhangs herunterriß. Ich zog Alessan die Stiefel aus, lockerte seinen Gürtel und rollte ihn zur Mitte des Bettes, damit er nicht herunterfallen konnte.
»Wenn ich…«, begann Tuero, als ich Alessan sorgfältig die Decke um die Schultern wickelte. Ein Lächeln glitt über die Züge des Schlafenden, und mir stockte der Atem.
»Wenn ich…« Tuero starrte mich an, wußte nicht mehr, was er sagen wollte, und ließ müde den Kopf hängen.
»Das Notbett steht immer noch im Nebenraum, Harfner.«
Ich bezweifelte, daß ich noch die Kraft gefunden hätte, Tuero zu seinem Zimmer am anderen Ende des Korridors zu geleiten.
»Werden Sie mich auch zudecken?«
Tuero sah mich so flehend an, daß ich lachen mußte. Auf unsicheren Beinen folgte er mir nach nebenan. Ich nahm die Decke vom Lager und schüttelte sie. Mit einem dankbaren Seufzer streckte sich Tuero aus.
»Sie sind so gut zu einem müden, beschwipsten Harfner«, murmelte er, als ich die Decke über ihn breitete. »Eines Tages werde ich…«
Er war eingeschlafen. Eines Tages würde sich Tuero vielleicht daran erinnern, daß er den Begriff ›Fort-Horde‹ geprägt hatte - ein Spottname, den die anderen begeistert aufgriffen, um mich und meine Geschwister damit zu ärgern. Möglicherweise würde das dann einen Schatten auf unser Verhältnis werfen. Aber das war im Grunde sein Problem.
Mein Problem bestand darin, daß ich allein zu Bett gehen mußte - und mir sehnlichst wünschte, daß mich ein ganz bestimmter Mann liebevoll zudeckte.
KAPITEL IX
23.3.43
Hell und klar dämmerte jener folgenschwere Tag herauf. In der Luft lag ein Hauch von Frühling, doch er sollte bald von bitterem Reif erstickt werden. Trotz oder gerade wegen des vielen Weins, den wir am Vorabend getrunken hatten, erwachten wir ausgeruht und trafen uns zu einem ausgiebigen Frühstück. Alle strahlten, selbst Desdra, die nur selten ihre Gefühle offen zeigte. Wir verteilten am Frühstückstisch die Arbeit des Tages. Alessan lief zu den Ställen, um einen Blick auf das Hengstfohlen zu werfen; er war begeistert von dem kräftigen, lebhaften kleinen Kerl. Oklina und ich befahlen den Pfleglingen und einigen der genesenen Erwachsenen, die übriggebliebenen Glasbehälter in einem der leeren Ställe unterzubringen, und begannen dann den Großen Saal gründlich aufzuräumen.
Deefer begab sich mit ein paar Männern auf die Jagd. Wir alle fanden, daß ein paar fette Wildwhere aus den Hügeln eine willkommene Abwechslung sein würden. Das Fleisch der Herdentiere schmeckte zäh und ging allmählich zur Neige.
Ich überlegte insgeheim, wie man die Burg wieder in ihren alten Zustand versetzen könnte, und beschloß, am Abend mit Alessan über meine Pläne zu sprechen. Meiner Ansicht nach reichte eine Woche harter Arbeit, um die Spuren der Katastrophe zu beseitigen. Und ich glaubte fest, daß es Alessan gut tun würde, nicht auf Schritt und Tritt an die schlimmen Ereignisse
Weitere Kostenlose Bücher