Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
als alle anderen, Alessan.«
Er zuckte mit den Schultern und starrte in seinen Becher. Um uns wogte reges Stimmengewirr und Gelächter. »Ich tue, was getan werden muß«, entgegnete er leise.
»Für Ruatha«, murmelte ich.
Er schaute mich überrascht an, und in seinen eigenartig grünen Augen schimmerte Wärme. »Du scheinst das Wesentliche zu sehen, Rill. War ich in den letzten Tagen ein strenger Zuchtmeister?«
»Ruatha verdient es, daß man sein Letztes gibt.«
»Das hier«, - er deutete auf die Zentrifugen und die leeren Gläser -, »geschah nicht für Ruatha.«
»O doch! Sie haben es selbst gesagt. Ruatha tut sein Bestmögliches… das sind wir Pern schuldig!«
Er wirkte ein wenig verlegen, aber sein Lächeln verriet Wärme, und ich glaube, daß ihm meine Antwort gefiel.
»Ruatha wird die Krise überwinden, davon bin ich überzeugt.« Ich fand es am sichersten, über Ruathas Zukunft zu sprechen.
Über Alessans Züge huschte ein sonderbarer Ausdruck. »Dann hat Oklina mit dir gesprochen? Du überlegst dir meine Bitte?«
»Ich würde gern auf Ruatha bleiben. Die Epidemie hat mein Leben grundlegend verändert.«
Seine warmen kräftigen Finger legten sich auf meine, und er drückte mir mitfühlend die Hand. »Und welche Bedingungen stellst du, Rill, um unseren Kontrakt zu festigen?« Er warf einen amüsierten Blick in Richtung Tuero.
Seine Frage kam so unerwartet, daß ich nicht recht wußte, was ich antworten sollte. Mein einziger Gedanke war, daß sich mein sehnlichster Wunsch erfüllt hatte. So begann ich zu stammeln, und Alessan nahm wieder meine Hand.
»Denk in Ruhe darüber nach, Rill, und sag es mir später. Du wirst sehen, daß ich meine Leute gut behandle.«
»Ich hatte es auch nicht anders erwartet.«
Er lachte über den Nachdruck meiner Worte, und dann besiegelten wir unseren Kontrakt in traditioneller Weise mit einem Glas Wein - auch wenn meine Kehle so zugeschnürt war, daß ich kaum einen Schluck herunterbrachte. Wir aßen etwas Käse und Brot und wandten uns wieder den anderen zu, die in eine lebhafte Diskussion vertieft waren.
»Ich war nicht gerade begeistert von diesem Meister Balfor, Baron Alessan«, murmelte Dag, ohne den Blick von seinem Weinglas zu heben. Er sprach von dem Mann, der sich im Moment um die Herden von Keroon kümmerte.
»Noch ist er nicht in seinem Amt als Herdenmeister bestätigt«, entgegnete Alessan knapp. Ich konnte spüren, daß er zu müde war, um mit dem Alten ein Streitgespräch anzufangen, ganz besonders nicht in Gegenwart von Fergal, der ständig Dinge aufzuschnappen versuchte, die nicht für ihn bestimmt waren.
»Er besitzt als einziger den Meistertitel, aber ihm fehlt die Erfahrung.«
»Er hat bisher alles getan, was Meister Capiam von ihm verlangte«, stellte Tuero nach einem Seitenblick auf Desdra fest.
»Ah, es ist traurig, wie viele tüchtige Männer und Frauen den Tod fanden.« Dag hob sein Glas zu einem stummen Toast.
»Und wie viele Geschlechter ganz ausstarben! Wenn ich an die Rennen denke, die Squealer nun ohne jede Konkurrenz bestreiten soll…« Dag machte eine Pause und fuhr dann fort: »Runel ist auch tot, nicht wahr? Wurden alle seine Nachkommen ausgelöscht oder…?«
»Der älteste Sohn und seine Familie leben ganz in der Nähe.«
»Gut. Wir werden sein Gedächtnis brauchen. Aber jetzt muß ich einen Blick auf die braune Stute werfen. Sie könnte heute nacht fohlen. Komm mit, Fergal!« Dag nahm die Krücken, die Tuero ihm angefertigt hatte, und stemmte sich hoch. Einen Moment lang machte Fergal ein mürrisches Gesicht.
»Ich begleite Sie gern«, erklärte ich und stützte den Alten ein wenig. »Eine Geburt ist immer ein schönes Ereignis.« Ich sehnte mich nach der frischen Nachtluft. Der Benden-Wein hatte meine Gedanken vernebelt. Außerdem machte mich Alessans Nähe nervös.
Mein Herz war am Überfließen, und wirres Zeug schoß mir durch den Kopf. Ich wollte Alessan weder durch übertriebene Dankbarkeit noch durch irgendwelche Treuebekundungen in Verlegenheit bringen, obwohl ich das starke Bedürfnis hatte, ihm eben diese Gefühle mitzuteilen. Durch einen verrückten Zufall war ein Wunder geschehen: Er hatte mich eingeladen, auf Ruatha zu bleiben. Ich verdrängte Alessans prosaische Beweggründe: Man brauchte mich, man vertraute mir, und Ruatha mußte von Grund auf erneuert werden. Ich wollte nicht über die Argumente nachdenken, die Oklina erwähnt und Alessan verschwiegen hatte. Mir reichte es, auf Ruatha leben zu können.
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