Die Drachenreiter von Pern 09 - Drachendämmerung
gingen mit unersetzlichen Werkzeugen und Maschinen pfleglich um.
Dank der wöchentlich stattfindenden inoffiziellen Treffen und der monatlichen Massenversammlungen, bei denen über die meisten der Verwaltungsangelegenheiten demokratisch abgestimmt wurde, lief in der Kolonie alles reibungslos. Bei einer der ersten Massenversammlungen war ein Schiedskomitee bestimmt worden, dem drei ehemalige Richter, zwei frühere Gouverneure und vier Nichtjuristen angehörten. Sie alle sollten dieses Amt zwei Jahre lang innehaben. Das Komitee sollte Beschwerden nachgehen und Streitigkeiten schlichten, die etwa beim Abstecken von Parzellen oder bei vertraglichen Unklarheiten entstehen mochten. Die Kolonie verfügte über vier ausgebildete Juristen und zwei Rechtsanwälte, aber man hoffte, daß sie nur höchst selten in Anspruch genommen werden müßten.
»Kein Streit ist so erbittert, daß er nicht von einem Gremium von Unparteiischen oder von einer Gruppe Gleichgestellter geschlichtet werden könnte«, hatte Emily Boll bei einer der ersten Massenversammlungen, an denen alle einschließlich der schlafenden Säuglinge teilnahmen, die Kolonisten beschworen. »Die meisten von euch haben den Krieg am eigenen Leibe erfahren.« Sie hatte eine dramatische Pause eingelegt. »Zermürbungskriege zu Land und zu Wasser, schreckliche Vernichtungskriege direkt im Weltraum. Pern ist weit, weit weg von jenen alten Schlachtfeldern. Ihr seid hier, weil ihr euch nicht von den territorialen Machtgelüsten anstecken lassen wolltet, die die Menschen seit Anbeginn der Zeiten wie eine Seuche plagen. Wenn man einen ganzen Planeten mit den verschiedensten herrlichen Landschaften zur Verfügung hat, der Reichtum für alle verspricht, dann besteht kein Anlaß mehr, dem Nächsten seinen Besitz zu neiden. Steckt eure Parzellen ab, baut eure Häuser, lebt in Frieden mit den anderen und helft uns, diese Welt zu einem wahren Paradies zu machen.«
Ihre kraftvolle, wohlklingende Stimme und die aufrichtigen, leidenschaftlichen Worte hatten an jenem wunderbaren Abend alle angespornt, diesen Traum zu erfüllen. Emily Boll war freilich auch Realistin und wußte sehr wohl, daß es unter jenen, die ihr so höflich zugehört hatten, um ihr dann mit lautem Jubel zu applaudieren, auch Andersdenkende gab. Avril, Lemos, Nabol, Kimmer und eine Handvoll anderer waren bereits als potentielle Störenfriede identifiziert. Aber Emily hoffte inständig, die Dissidenten würden mit ihrem neuen Leben auf Pern so beschäftigt sein, daß sie wenig Zeit, Energie oder auch Gelegenheit haben würden, sich mit Intrigen zu befassen.
In die Verfassung und die Verträge war auch das Recht mit aufgenommen worden, gegen die Unterzeichner bei Verstößen gegen das Gemeinwohl disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen. Solche Verstöße mußten allerdings erst noch definiert werden.
Emily und Paul hatten sich nicht einigen können, ob eine Notwendigkeit für einen Gesetzeskodex bestand.
Paul Benden vertrat den Standpunkt, die Strafe müsse sich am Vergehen orientieren und den Missetätern und jenen, die häufig Ruhe und Ordnung einer Gemeinde störten, eine heilsame Lehre erteilen. Er war auch dafür, daß solche Strafen sofort und in aller Öffentlichkeit verhängt wurden, um die Schuldigen zu beschämen. Sie sollten verpflichtet werden, gewisse unangenehme Aufgaben zu übernehmen, die für das Funktionieren der Kolonie erforderlich waren. Bisher war diese primitive Form der Rechtsprechung ausreichend gewesen.
Inzwischen wurden eine Reihe von Leuten weiterhin unauffällig überwacht, und Paul und Emily trafen sich von Zeit zu Zeit mit Ongola, um die allgemeine Moral in der Gemeinschaft und jene Probleme zu besprechen, die besser nicht in die Öffentlichkeit gelangten. Der Admiral und die Gouverneurin hielten es auch für wichtig, ständig für alle Kolonisten erreichbar zu sein, denn sie hofften, auf diese Weise kleine Mißhelligkeiten aus der Welt schaffen zu können, ehe sie sich zu ernsthaften Problemen auswuchsen. So hielten sie an sechs Tagen der offiziell verfügten Siebentagewoche ›Bürostunden‹ ab.
»Wir sind vielleicht nicht im überlieferten Sinne des Wortes religiös, aber es ist vernünftig, Mensch und Tier einen Ruhetag zu gönnen«, verkündete Emily in der zweiten Massenversammlung. »Die Bibel der Judäer, die einigen alten religiösen Sekten auf der Erde als Richtschnur diente, enthält eine Menge vernünftiger Vorschläge für eine ländliche Gemeinschaft und einige
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