Die Drachenreiter von Pern 10 - Der Renegaten von Pern
herumtrieben, die so verwahrlost aussahen, als hätten sie keine Bleibe. Nur wenige wagten sich überhaupt in das Festzelt, was auch besser war, wenn sie keine Marken hatten, aber sie schlenderten ganz zwanglos draußen in der Menge umher. Thella hatte ihre prallgefüllte Gürtelbörse mit der guten Telgar-Währung unter ihrem weiten Gewand verborgen, aber sie schob sie trotzdem unauffällig unter ihr Hemd und sah sich gleichzeitig nach den Wachen um, die Baron Laudey eigentlich zum Schutz gegen Unruhestifter und Taschendiebe aufgestellt haben sollte. Dieses Frühlingsfest war ausnehmend gut besucht, immerhin war es das erste seit dem Wiedereinsetzen der Fädenfälle.
Ja, daran lag es, erkannte sie.
Während einer Annäherungsphase gab es immer mehr Heimatlose. Burgherren besaßen innerhalb ihrer Mauern absolute Befehlsgewalt und vergewisserten sich, daß jeder, den sie in so harten Zeiten unterstützten, seinen Unterhalt auch wirklich verdiente. Jeder Besitzer eines kleineren oder größeren Hofes konnte Reisenden selbst dann ein Obdach verweigern, wenn die Fädenfront schon ganz nahe war.
In solchen Zeiten arbeiteten die Mensche fleißiger und gehorchten aufs Wort, oder sie verloren ihre Zuflucht. Und das war auch ganz richtig so, Thella war voll damit einverstanden.
Wenn ihr nur etwas mehr Zeit geblieben wäre, dann hätte auch sie sich auf diese altehrwürdigen Rechte berufen können. Aber sie würde nicht aufgeben, und wenn sie dabei zugrundeging. In einer Hinsicht konnten sich die Fädeneinfälle sogar zu ihrem Vorteil auswirken. Für ein schützendes Dach und steinerne Mauern würden sich genug Leute danach drängen, selbst auf einem einsamen Hof hoch oben in den Bergen zu arbeiten.
Sie begann sich dafür zu interessieren, welches Gewerbe die Schulterknoten der Heimatlosen anzeigten, und versuchte abzuschätzen, wie stark und wie verzweifelt die einzelnen waren. Bisher war ihr Anwesen eher bescheiden, aber es ließ sich ausbauen.
Noch einmal wanderte sie an den Ständen und Buden vorbei, vergewisserte sich mit einem Blick, daß ihr drittes Paar Stiefel Fortschritte machte, und spitzte die Ohren, um Neuigkeiten oder nützliche Informationen aufzuschnappen.
Was sie hörte, war aufregender als jedes Harfnermärchen. Vieles war geschehen, seit die ersten Fäden wieder auf Pern gefallen waren. Der Benden-Weyr hatte sich verbissen bemüht, mit dem Niederschlag fertigzuwerden. Dann hatte sich Lessa, die Reiterin Ramoths, Bendens einziger Drachenkönigin, zu einer Tat aufgeschwungen, die selbst für das an Helden reiche Pern unvergleichlich war, und ihr Leben und das ihres Drachen aufs Spiel gesetzt, um die fünf verlorenen Weyr von Pern aus der Vergangenheit zu holen. Vierhundert Planetenumläufe war sie zurückgegangen, in eine Zeit, als es noch sechs voll besetzte Weyr gab, und hatte die Drachenreiter überredet, der allem Anschein nach dem Untergang geweihten Gegenwart zu Hilfe zu kommen.
Thella konnte an dieses Kunststück nicht so recht glauben, aber es mußte wohl stattgefunden haben, denn überall tauchten prahlerische Drachenreiter mit den Farben der Weyr von Telgar, Ista und Igen, aber auch von Benden auf. Und es ließ sich nicht übersehen, daß Burg und Gildenhalle ihnen in allem zu Willen waren.
Als sie bei einem späteren Rundgang den Lehrling in demütiger Pose mit einem Drachenreiter von Ista sprechen sah, warf sie ihm einen strengen Blick zu. Der junge Mann erbleichte, entschuldigte sich und stichelte an ihrem halbfertigen Stiefel weiter. Schon die Vorstellung, daß er die Arbeit für eine Telgar hintanstellte…
Thella mußte sich widerwillig eingestehen, daß sie sich nicht mehr auf diesen Rang berufen konnte und stolzierte aufgebracht davon.
Diese Drachenreiter! Führten sich auf, als habe man das Fest nur ihnen zu Gefallen veranstaltet. Die meisten waren von Mädchen umschwärmt, und den anderen lasen junge Burschen ehrfürchtig jedes Wort von den Lippen ab! Hinterhältiges Gesindel! Trotz ihrer Ernüchterung entging es Thella freilich nicht, daß zwischen den Reitern von Benden und denen der drei anderen Weyr ein Unterschied bestand. Die - wie hatte man sie noch genannt? Alte? -, die Alten zeigten das unverkennbar forsche Auftreten von Menschen, die von ihrer Bedeutung völlig überzeugt sind, während die Benden-Reiter ebenso deutlich eine beflissene, ja fast schüchterne Artigkeit an den Tag legten.
Keine der beiden Haltungen fand Thellas Billigung. Ohne die Unterstützung der
Weitere Kostenlose Bücher