Die Drachenreiter von Pern 14 - Drachenauge
Lehrinhalte zu überdenken und neu zu definieren«, fuhr Paulin fort. »Das Auswendiglernen von Texten sollte bei Kindern so früh wie möglich beginnen, und Liederverse eignen sich hierzu besonders gut. Wir dürfen vor allem nicht vergessen, dass uns keine mechanischen Hilfsmittel wie Computer mehr zur Verfügung stehen und wir uns immer mehr auf unser Gedächtnis stützen müssen.«
Iantine malte gerade Zulaya, als K'vin ihm seinen Skizzenblock zurückbrachte.
»M'shall hat den Block bei mir abgegeben, und ich soll Ihnen ausrichten, dass die Bilder eine enorme Hilfe waren«, erklärte der Weyrführer, doch sein Augenmerk richtete sich auf Zulaya, die für ihr Porträt posierte.
Sie saß auf der Kante von Meranaths steinerner Liege; der schlummernde Drache ruhte in anmutiger Haltung auf seiner Lagerstatt, wobei der edle Kopf der Reiterin zugewandt war. Sehr zu K'vins Freude trug seine Weyrgefährtin das prachtvolle Gewand aus rotem Brokat, die Falten elegant drapiert, so dass das aufwändige Muster voll zur Geltung kam.
Zulaya trug ihr Haar zu einer kunstvollen Frisur geflochten, die von Kämmen gehalten wurde, die er ihr anlässlich der Feier zum Ende des letzten Planetenumlaufs geschenkt hatte. Jedes Mal, wenn sie ihr stolzes Haupt bewegte, funkelten und glitzerten die schwarzen Diamanten. So wie jetzt, als sie sich zu K'vin umdrehte und ihm etwas sagen wollte.
»Halten Sie still … bitte!«, rief Iantine, das letzte Wort betonend, wie wenn er es leid sei, diese Aufforderung ständig zu wiederholen. Zulaya hielt den Mund und nahm ihre Pose wieder ein.
K'vin stellte sich ein Stück entfernt hinter Iantine auf und schaute ihm bei der Arbeit zu. Mit zarten Pinselstrichen vervollkommnete er Zulayas Antlitz. K'vin fand, das Gesicht sei bereits perfekt, doch erst als jedes Detail Iantines Ansprüchen genügte, begann der Künstler, Glanzlichter in Zulayas wundervollem Haar zu verteilen.
Der junge Porträtist hatte das Wesen seiner Weyrgefährtin trefflich eingefangen; ihre Züge wirkten gebieterisch, doch die leicht nach oben gezogenen Mundwinkel verrieten einen Sinn für Humor. K'vin wusste, dass Zulaya es amüsant fand, sich porträtieren zu lassen, und unentwegt zog sie ihn damit auf, welche Bekleidung er tragen sollte, wenn er sich denn von Iantine verewigen ließe.
K'vin war außerdem bekannt, dass der Künstler von sämtlichen Reitern Miniaturen anzufertigen gedachte. Ein ehrgeiziges Projekt, wenn man berücksichtigte, dass zur Zeit sechshundert Drachenreiter den Weyr bewohnten. Einerseits freute sich K'vin über die zu erwartende einzigartige Galerie, gleichzeitig fürchtete er sich vor dem Augenblick, wenn die Bilder nur noch Erinnerungen an im Kampf gefallene Reiter darstellten.
»Würde es deinen Schmerz verringern, wenn es keine Porträts von den Leuten gäbe?«, hatte Zulaya ihn neulich gefragt, als sie von ihm wissen wollte, was ihn so bedrückte. »Leider besitzen wir nichts, was uns an die ersten Bewohner des Weyrs erinnern könnte. Es ist wirklich schade, denn Andenken irgendwelcher Art verleihen dem Leben Kontinuität.«
K'vin hatte eingesehen, dass sie Recht hatte und versucht, sich eine positivere Einstellung anzueignen.
»Wir wissen zwar nicht, wer nächstes Jahr um diese Zeit hier leben wird«, fuhr Zulaya fort, »aber diejenigen, die hier gearbeitet und gewirkt haben, werden wir nicht vergessen.«
»Wie lange muss ich noch stillsitzen, Iantine?«, nörgelte Zulaya. Ihre Hand, die auf ihrem Schenkel ruhte, zuckte. »Mein linker Fuß und die linke Hand sind schon wie abgestorben.«
Iantine stieß einen übertriebenen Seufzer aus, legte die Palette nieder und säuberte den feinen Pinsel, mit dem er dem Bild den letzten Schliff gab. »Entschuldigen Sie, Zulaya. Von Rechts wegen hätten wir schon längst eine Pause einlegen müssen. Doch das Licht ist nahezu ideal, und ich konnte einfach nicht aufhören.«
»Hilf mir beim Aufstehen, K'vin.« Zulaya streckte die Hand nach ihm aus. »Normalerweise sitze ich nie so lange an einem Fleck.«
K'vin half ihr nur zu gern, und ihre Bewegungen waren so steif, dass sie bei den ersten Schritten schwankte. Doch dann erlangte sie ihre Geschmeidigkeit zurück und begab sich mit der ihr eigenen Anmut zur Staffelei.
»Meine Güte, Sie haben heute ja eine Menge geschafft. Sagen Sie, schiele ich auf dem Bild?«
Iantine lachte. »Nein, treten Sie ein bisschen zur Seite. Und nun kommen Sie wieder zurück. Was ist, scheint der Blick Sie zu
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