Die Drachenreiter von Pern 14 - Drachenauge
Spielschulden.«
Iantine stutzte. »Spielschulden?« Er drängte sich an Leopol vorbei, entschlossen, sich in die relative Abgeschiedenheit seiner Kammer zu begeben. Doch er hütete sich, Leopol allzu viel zu verraten, aus Furcht, der Junge könnte Klatsch weitertragen.
»Ah, Iantine!« Tisha hatte ihn erspäht und kam mit einer für ihre Leibesfülle beachtlichen Behändigkeit zu ihm gelaufen, sich geschickt an den Tischen vorbeilavierend. »Hat man mit Chalkin kurzen Prozess gemacht? Hat er sich gewehrt? Ging seine Frau mit ihm ins Exil? Was mich offen gestanden überraschen würde. Ist Vergerin noch am Leben und wohlauf und hat man ihn gefunden? Übernimmt er die Leitung der Burg, oder muss er warten, bis am Ende des Planetenumlaufs das Konklave zusammentritt?«
Leopol krümmte sich vor Lachen, als er Iantines verdatterte Miene sah.
»Ja, ja, nein, ja und nochmals ja«, antwortete der Künstler auf ihre Fragen.
»Sehen Sie?«, frohlockte Leopol. »Ich bin nicht der einzige Weyrbewohner, der sich für solche Sachen interessiert.«
»Ich will alles haargenau hören, Iantine«, bestimmte Tisha und stellte Klahbecher sowie eine Schale mit frisch gebackenen Keksen auf einen Tisch. »Setzen Sie sich und greifen Sie zu. Sie scheinen allerhand hinter sich zu haben.«
»Ich bringe das Bild in Ihr Quartier«, erbot sich Leopol und riss dem überrumpelten Iantine das Porträt aus den Händen. »Ich schaue es mir auch nicht an, es sei denn, Sie erlauben es mir ausdrücklich.«
»Warte, Leo«, rief Tisha. »Ich will sehen, was Chalkin unter ›zufrieden stellend‹ versteht.«
»Hat man denn hier überhaupt kein Privatleben?«, beklagte sich Iantine und hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Gibt es in einem Weyr keine Geheimnisse?«
»Nein, in einem gut geführten Weyr bleibt nichts verborgen«, gab Tisha ungerührt zurück. »Essen und trinken Sie. Und du, Leo, bringst diesen Korb in K'vins Weyr. Ich habe Zulaya und Meranath nicht gesehen, vielleicht sind sie in Burg Telgar gelandet.«
Auf einmal merkte Iantine, wie erschöpft er war, und ehe die Beine unter ihm nachgaben, ließ er sich auf einen Stuhl plumpsen, den Tisha ihm einladend zurechtrückte.
»Darf ich?«, fragte Leopol keck und machte Anstalten, Chalkins Porträt auszupacken.
»Ich werde dich ohnehin nicht daran hindern können, einen Blick auf das Bild zu werfen«, resignierte Iantine und fing hastig den Skizzenblock auf, der herausfiel, als der Junge die Umhüllung vom Bild schälte.
Iantine legte den Block zur Seite. Er hatte keine Lust, seine neuesten Skizzen irgendjemandem zu zeigen. Kurz nachdem er die beiden kastrierten Vergewaltiger gezeichnet hatte, waren sie gestorben. Jetzt schämte er sich, weil er sich über ihre Verurteilung gefreut hatte. Damals hatten die Männer nicht geahnt, welche zusätzliche Strafe Chalkin über sie verhängen würde.
Iantine fiel der Blick auf, mit dem Tisha ihn musterte, und er argwöhnte, sie habe erraten, was in ihm vorging. Zum Glück starrte ihnen nur der stark geschönte Chalkin von dem Bild entgegen, und Tisha prustete los.
Die Wirtschafterin hatte ein ungemein ansteckendes Lachen. Ein Kichern von ihr genügte, um gute Stimmung zu verbreiten. Iantine bedurfte dringend einer Aufheiterung, und wenn seine aufgewühlten Emotionen ihn auch daran hinderten, sich ungehemmt der Fröhlichkeit hinzugeben, so brachte er doch ein Lächeln zuwege.
Tishas Gelächter zog die Aufmerksamkeit aller Leute auf sich, die sich in der Küchenkaverne aufhielten, und bald war der Tisch, an dem Iantine, Leopol und die Wirtschafterin saßen, von Neugierigen umringt, die wissen wollten, wie Chalkin sich ›zufrieden stellend‹ abgebildet fühlte. Iantine musste schildern, was sich in Burg Bitra abgespielt hatte. Jeder begrüßte es, dass Chalkin seines Amtes enthoben und auf eine abgeschiedene Insel verbannt worden war.
»Dieses Urteil ist noch viel zu milde für ihn«, meinte jemand.
»Jetzt hat er keine Untertanen mehr, die er nach Herzenslust schurigeln kann.«
»Kam jemand zu Schaden?«
»Wer übernimmt jetzt seinen Posten, so kurz vor dem erwarteten Fädenfall?«
Iantine antwortete so vorsichtig wie möglich, und er staunte, wie präzise sich die Weyrleute mit ihren Mutmaßungen die Wahrheit zusammengereimt hatten. Man schien über eine Festung, die nicht dem Telgar-Weyr angehörte, recht gut informiert zu sein. Da er seine eigenen Erfahrungen mit Chalkin nicht breitgetreten hatte, mussten die Weyrbewohner ihr
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