Die Drachenreiter von Pern 14 - Drachenauge
– jeden Zoll seines kostbaren Malblocks füllte er mit Studien des alltäglichen Lebens auf dem Lande – entschied man, ihn aufs Kollegium zu schicken. Seine Mithilfe auf dem Hof würde man vermissen, doch zögernd räumte sein Vater ein, dass der Bursche besser mit Block und Bleistift umzugehen verstand als mit einem Hirtenstab. Sein jüngster Bruder, der viel eher zum Landwirt taugte, übernahm mit Begeisterung Iantines häusliche Pflichten.
Im Kollegium erkannte man sofort seine ungewöhnliche Begabung und sein Kunstverständnis und förderte ihn nach Kräften. Meister Clisser hatte darauf bestanden, dass er eine Mappe mit Skizzen anfertigte – aus den Bereichen Flora, Fauna und Mineralien. Für Iantine ein Kinderspiel, da er bereits sämtliche Aspekte seiner früheren Umgebung zu Papier gebracht hatte.
Außerdem bereitete es ihm ein besonderes Vergnügen, seine ahnungslosen Kommilitonen zu zeichnen, mitunter sogar im Unterricht, wenn seine Aufmerksamkeit anderen Studien hätte gelten müssen. Vor allem eine Skizze war ihm ausgezeichnet gelungen – es war Meister Clissers Lieblingsbild –, in der er Bethany beim Gitarre spielen darstellte. Hingebungsvoll, leicht vornübergebeugt, interpretierte sie ein schwieriges Musikstück. Jeder hatte das Bildnis bewundert, auch Bethany selbst.
Seine Mappe wurde mehreren privaten Schulen für Kunsthandwerk vorgelegt, wo man die unterschiedlichsten Fertigkeiten erlernen konnte, angefangen von hoch qualifizierter Kürschnerei bis hin zur Weiterverarbeitung von Holz, Glas und Stein. Kein Institut an der Westküste konnte einen zusätzlichen Studenten aufnehmen, doch die Frau, die in Süd-Boll die Funktion einer Meister-Weberin ausübte, versprach, Meister Domaize in Keroon zu verständigen, einen der berühmtesten Porträtisten auf Pern, denn sie fand, das wahre Talent des jungen Mannes läge in dieser Richtung.
Zu Iantines Verblüffung erschien eines Tages ein grüner Drache vor dem Kollegium, um ihn zu einem offiziellen Gespräch mit Domaize höchstselbst abzuholen. Iantine wusste nicht, was ihn mehr aufwühlte, der Ritt auf dem Drachen durch das Dazwischen, die Aussicht, Meister Domaize kennenzulernen oder die Möglichkeit, zum Berufskünstler ausgebildet zu werden.
Meister Domaize stellte ihm die Aufgabe, ein Selbstporträt anzufertigen. Danach nahm er ihn als Studenten in sein Kollegium auf und schickte noch am selben Tag eine Botschaft an Iantines Eltern, in der er ihnen die Studienbedingungen mitteilte.
Der Brief stürzte Iantines Familie in eine nicht unbeträchtliche Verwirrung. Und ihre Verblüffung wuchs, als die Burgherrin und der Lord von Benden sich bereiterklärten, mehr als die Hälfte der anfallenden Kosten zu begleichen.
Nun jedoch musste er möglichst viel Geld verdienen, und das recht bald, um seiner Familie zu zeigen, dass sie nicht umsonst so viele Opfer für ihn gebracht hatten. Mit Sicherheit würde Lord Chalkin ihm Schwierigkeiten machen. Er rechnete fest mit Scherereien. Doch das zugesagte Honorar deckte die Übertragungsgebühr für das Grundstück. Also unterschrieb er den Vertrag, eine Kopie wanderte zu Meister Domaizes Akten, und das Original ging an Lord Chalkin.
Auf Chalkins Wunsch hin schickte Meister Domaize diesem ein Beglaubigungsschreiben, in dem er Iantines Befähigung als Künstler bestätigte. Erst dann sandte der Bitraner den von ihm gegengezeichneten Kontrakt zurück.
»Lies ihn dir lieber noch einmal gründlich durch, Ian«, riet Ussie ihm, als Iantine triumphierend das Dokument schwenkte.
»Wieso?« Iantine blickte auf das Blatt und deutete auf die letzten Zeilen. »Hier ist meine Unterschrift, dort die von Meister Domaize, daneben die Signatur von Chalkin. Falls dieses Gekrakel sein Namenszug sein soll.« Er hielt Ussie das Blatt hin.
»Hmm, sieht echt aus, obwohl ich Chalkins Handschrift nicht kenne. Meine Güte, was für eine Schreibmaschine benutzen die denn? Die Hälfte der Buchstaben sind nicht voll angeschlagen oder auf einer Linie.« Ussie gab ihm das Dokument zurück.
»Ich schau mal nach, ob sich in den Akten Beispiele von Lord Chalkins Unterschrift finden«, erklärte Iantine. »Obwohl mir nicht einleuchten will, warum er einen Vertrag nicht anerkennen sollte, den er selbst aufgesetzt hat.«
»Er ist ein Bitraner, und du weißt ja, was man denen nachsagt. Bist du auch sicher, dass es sich um deine Unterschrift handelt?« Ussie grinste verstohlen, als Iantine misstrauisch seinen eigenen Namenszug ins Auge
Weitere Kostenlose Bücher