Die Drachenreiter von Pern 17 - Drachenwege
Arbeit, mein Junge.« Der alte Mann blickte aus dem Fenster. »Da wir gerade von Arbeit sprechen, für uns beide gibt es viel zu tun. Fangen wir an.«
***
Der Unterricht bei Meister Zist war mit den Schulstunden, die der Harfnergeselle Jofri abgehalten hatte, nicht zu vergleichen. Seit Kindan bei Zist im Hause lebte, befand er sich in einer ganz besonderen Position. Der Junge besaß einen stark ausgeprägten Sinn für Loyalität, deshalb vereidigte er die schroffe Art des Meisters und nahm ihn gegenüber den anderen Kindern in Schutz. Hätte Kindan jedoch noch bei seiner eigenen Familie gewohnt, wäre sein eigensinniger Charakter durchgebrochen und er hätte alles darangesetzt, um die Disziplin in der Klasse zu unterminieren.
Dalor fiel auf, wie sehr sich Kindan für Meister Zist einsetzte, doch er gab dazu keinen Kommentar ab. Cristov bemerkte gleichfalls, dass Kindan ihren Lehrer unterstützte, und er ließ keine Gelegenheit verstreichen, um den Knaben zu hänseln. Tariks Sohn hatte schon immer versucht, die anderen Kinder im Camp zu schikanieren. Nun machte er sich eine besondere Freude daraus, Kindan zu sticheln. Unentwegt betonte er, dass er nun in Kindans Zimmer schliefe, und wie schön es sei, in dessen ehemaligem Zuhause zu wohnen.
Kindan ließ sich diese Häme eine Zeit lang gefallen, ohne sich zu wehren. Bis er eines Tages Cristov begegnete, der die Festung verließ und zum Mittagessen nach Hause eilte. Kindan stellte ihm geschickt ein Bein, und Cristov fiel der Länge nach auf den schlammigen, von Schneematsch durchsetzten Boden.
»Du solltest besser auf deine Füße aufpassen«, riet Kindan dem Burschen, der mit dem Gesicht nach unten im Dreck lag. »Und auf deine Zunge auch.«
Cristov sprang auf die Füße, doch ehe die beiden Jungen aufeinander losgehen konnten, packte eine große Hand Kindan beim Ohr und zerrte ihn in die Festung zurück.
»Ich kümmere mich darum«, grollte Meister Zist mit seinem tiefen Bass. Cristov grinste triumphierend, als er zusah, wie Kindan buchstäblich abgeführt wurde.
»Wisch dir die Schuhe ab«, befahl der Harfner, als sie den Eingang zur Festung erreichten. Kindan gehorchte, weil der schmerzhafte Griff an sein Ohr gar nichts anderes zuließ, und Meister Zist bugsierte ihn ins Klassenzimmer.
»Setz dich hin«, ordnete der Meister an und deutete auf einen Stuhl an einem der langen Tische. Kindan nahm Platz und rieb sich das brennende Ohr.
»Hör auf, an deinem Ohr herumzureiben, du hast die Schmerzen verdient«, donnerte der Harfner. »Und jetzt möchte ich von dir hören, was du falsch gemacht hast, und welche Reaktion richtig gewesen wäre.«
Kindan zog die Stirn kraus und versuchte, nicht an sein schmerzendes Ohr zu denken. »Cristov hat gesagt …«
»Vergiss nicht, dass du bei mir eine Ausbildung zum Harfner bekommst«, unterbrach der Meister seine Tirade. »Von dir erwarte ich, dass du besser mit Worten umgehst als die meisten anderen Menschen. Denn Worte sind später dein Handwerkszeug.«
»Aber …«
Meister Zist hob die Hände, und Kindan verstummte. »Nenne mir drei gute Eigenschaften von Cristov«, forderte der Harfner den Buben auf.
Kindan klappte den Mund zu und dachte angestrengt nach. »Nun ja, er ist stark.«
Meister Zist reckte einen Finger in die Höhe und nickte Kindan ermutigend zu.
»Seine Mutter liebt ihn.«
»Das ist eine gute Eigenschaft der Mutter«, wandte der Meister trocken ein.
»Muss ein angehender Harfner nicht in der Harfnerhalle unterrichtet werden?«, versuchte Kindan das Thema zu wechseln.
»Ein Meisterharfner ist dazu berechtigt, Lehrlinge an jedem beliebigen Ort auszubilden«, erwiderte Zist. »Wenn es an der Zeit ist, Prüfungen abzulegen, schickt er sie zur Harfnerhalle.« Mahnend hielt er Kindan seinen Zeigefinger unter die Nase. »Du bist noch nicht fertig.«
»Hmm, na ja … rechnen kann er nicht … und im Schreiben ist er auch eine Niete …«
»Das sind Fehler, und keine Tugenden«, korrigierte Zist den Jungen und stieß einen Seufzer aus.
»Ich weiß«, wehrte sich Kindan. »Ich denke nur laut nach …«
»Ich sehe schon, so kommen wir nicht weiter«, meinte der Harfner. »Es dauert mir zu lange, und wir beide haben heute noch viel zu tun. Um deiner Phantasie auf die Sprünge zu helfen, habe ich mir Folgendes ausgedacht: Ab jetzt gehst du jeden Abend, nachdem du deine üblichen Pflichten erledigt hast, zu Tarik nach Hause und wäscht dort die schmutzige Kleidung. Das wirst du so lange tun, bist du mir
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