Die Drachenschwestern
um ihre Mundwinkel,
in der Hand hatte sie ein paar getrocknete Zweige mit Blättern daran. „Riech
mal hier und sag mir was du denkst.“
Miri nahm die getrockneten Kräuter vorsichtig und roch daran. „Hm,
perfekt. Und was ist es? Ich bin nicht gerade mit einem grünen Daumen gesegnet,
deshalb habe ich keine Ahnung, was es ist.“
„Zitronenmelisse
von letztem Sommer.“
„Wächst das auch draußen
bei deinem Sitzplatz?“
„Nein, die habe
ich letztes Jahr aus Frankreich mitgebracht, als ich Mémé besucht habe.“
„Deinen Erzählungen nach habe ich den Eindruck, als wäre deine Großmutter
ein Mensch, den ich gerne kennenlernen möchte.“
„Also, nicht dass du das jetzt falsch verstehst“, fügte sie nach einem
Moment hinzu, als Kaja nichts darauf antwortete. „Ich wollte mich nicht selber
einladen.“
„Nein, nein, so habe ich das auch nicht aufgefasst“, beeilte sich Kaja
zu sagen, die eben beschäftigt gewesen war, das heißen Wachs umzurühren. „Das
wäre doch eine gute Idee. Wir könnten mal zusammen hinfahren. Aber jetzt lass
uns erst einmal die Öle und Kräuter für die verschiedenen Kerzen auslesen.
Fällt dir noch was zu Luc ein?“
„Hm, etwas, das
Klarheit bringt?“
„Klarheit? Wie meinst du das jetzt genau?“, fragte Kaja mit
gerunzelter Stirn nach.
Miri suchte nach Worten. „Klarheit im Sinne von: weniger zerstreut.
Mir ist schon klar, dass er ziemlich den Durchblick hat, nur ist er ab und zu
zerstreut, wenn ich dich richtig verstanden habe?“
„Perfekt.“ Sie
nahm eines der Öle zur Hand und hielt es Miri unter die Nase.
„Genau. Und das
kenne sogar ich: Pfefferminze“, lachte sie.
„Gut, Kerze Nummer
1 wäre entschieden. Kerze Nummer 2…“
„Für wen ist denn
die?“
„Die, äh, die ist auch für einen äh, Freund“, antwortete Kaja wenig
überzeugend. Wenig hilfreich war auch, dass Lance im Hintergrund anzüglich zu
pfeifen anfing.
„Ach so, so ein Freund“, stichelte Miri vergnügt und zwinkerte Lance
verschwörerisch zu. Kaja blieb stumm und blickte stur in ihren Wachstopf, den
sie wieder einmal umrührte. „Na ja, nachdem du dich ja weigerst, über diesen
Freund zu sprechen, kann ich dir auch schlecht bei der Auswahl der Kräuter
helfen.“ Nach einem Moment, während dem Kaja immer noch keinen Kommentar
abgegeben hatte, wollte sie wissen: „Wie kommt es denn, dass dieser unwichtige
Freund eine Kerze kriegt?“
„Das hat Luc so
beschlossen“, gab Kaja grummelnd zur Antwort.
„Aha.“
„Was: Aha.“
„Nichts, einfach
Aha.“
„Also gut. Er heißt Tim, war während meiner Kindheit, mein bester
Freund, dann habe ich ihn lange nicht mehr gesehen und bei meinem letzten
Ausflug zu Mémé bin ich ihm zufällig wieder über den Weg gelaufen.“
„Und?“
„Was und? Immer
noch nicht zufrieden?“
„Ja, du hast ja auch die Hälfte und so wie ich das sehe die bessere
Hälfte der Geschichte ausgelassen“, ließ sich Lance vernehmen.
„Ruhe da hinten.“ Mit gespielter Verzweiflung wandte sie sich an Miri:
„Hat man mit einem Drachen wirklich kein Anrecht mehr auf eine Privatsphäre?“
„Hm, nein. Und mit
mir als Freundin auch nicht“, scherzte Miri. „Also los, spuck‘s schon aus.“
Kaja las eine der Duftöle aus, roch erst selbst daran und reichte es
dann Miri. „Dieses Gefühl vermittelt er mir jetzt.“
„Wärme, Geborgenheit, Verlässlichkeit“, stellte Miri fest. „Passt bis
jetzt ganz gut zum Thema bester Freund.“ Sie blickte fragend zu Lance, welcher
wissend lächelte und unmerklich den Kopf schüttelte.
„Die ersten beiden Adjektive stimmen – beim dritten, der
Verlässlichkeit bin ich mir nicht so sicher. Es ist übrigens Sandelholzöl, das
mit genau diesen Gefühlen in Verbindung gesetzt wird.“ Kaja seufzte.
„Hm, Sandelholz –
ein sehr sinnlicher Duft. Wieso bist du dir nicht sicher mit der
Verlässlichkeit? Hat er dir Anlass zur Annahme gegeben, dass er unzuverlässig
ist?“
„Nein, so habe ich das nicht gemeint. Was in mir vorgeht, wenn ich in
seiner Nähe bin, hat nichts mit Verlässlichkeit zu tun. Das ist viel mehr ein
kompletter Gefühlsaufruhr.“
Nach dieser Offenbarung beschloss Miri die Sticheleien erst einmal zu
lassen und fragte: „Hast du ihn denn wieder gesehen, seit du aus Frankreich
zurück bist?“
„Ja, sogar schon
zweimal.“
„Das ist doch
toll? Oder nicht?“
„Ja, es war jedes Mal toll. Und genau das macht mir eine Heidenangst!“
Kaja beschloss, für heute erst einmal
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