Die Drachenschwestern
Kaja auf den Klappstuhl fallen. „Aufgewacht bin ich in der Hölle
und direkt aus der Dusche im Himmel gelandet?“ Sie nahm einen Schluck heißen
Kaffee. „Himmlisch auf jeden Fall. Diesen Trick muss ich mir merken. Oder war das
Drachenservice?“
Kaja lachte. „Drachenservice, schön wär‘s. Na ja, nachdem ich dich
offensichtlich geweckt hatte und du sowieso noch Duschen musstest, hatte ich
genug Zeit, die Brötchen zu organisieren. So als Wiedergutmachung fürs aus dem
Schlaf reißen sozusagen. Und als ich dann noch deinen hawaiianischen Kaffee
entdeckt hatte, konnte ich nicht wiederstehen, uns eine Kanne davon
aufzubrühen.“
„Das verstehe ich, eins meiner kleinen Laster, dieser Kona-Kaffee.
Sündhaft teuer. Aber auch sündhaft gut.“ Sie nahm noch einen Schluck und
schloss genussvoll die Augen.
„Spät geworden
gestern?“, erkundigte sich Kaja beiläufig.
„Kann man wohl sagen“, murmelte Miri in ihren Kaffee hinein.
Tatsächlich hatte sie gehofft, jemanden kennen zu lernen, der sie von dem Mann,
den sie am Donnerstag getroffen hatte, ab lenken könnte. Oder eben diesem Mann
wieder über den Weg zu laufen. Von dem sie wohlgemerkt nicht einmal den
Nachnamen kannte. Eins von beidem halt. Was ziemlich jämmerlich war, wie Miri
sich selbst eingestand. So war sie den ganzen Abend in ihrer Lieblingsbar
abgehängt und hatte den ganzen Inhalt ihrer Brieftasche gegen Alkohol
eingetauscht. Zum Glück hatte sie nicht so viel Geld dabei gehabt, sonst würde
sie sich jetzt bestimmt noch viel schlechter fühlen. Sie seufzte und schüttelte
die unerfreulichen Gedanken ab. „Und du? Was hast du gestern so gemacht?“,
wandte sie sich an Kaja, die geduldig gewartet hatte, bis sie ihren Kaffee
getrunken hatte.
„Das ist eine lange Geschichte, glaub mir. Die erzähle ich dir am
besten unterwegs“, meinte Kaja mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich hatte gestern
einen extrem ereignisreichen Tag.“
„Also dann, lass
uns gehen, das klingt ja spannend.“
Sobald sie im Auto waren, löcherte Miri Kaja mit Fragen. Kaja begann
mit dem geschäftlichen Teil. Sie fügte auch noch die Schlussfolgerungen hinzu,
welche Simon und sie inzwischen gezogen hatten und füllte die Stellen aus,
welche Miri noch nicht bekannt waren.
„Eins verstehe ich
nicht“, meinte Miri, als sie aus dem Auto stiegen.
„Was denn?“, fragte Kaja, die eine Frage nach möglichen Gründen für
die seltsamen Vorgänge in der Firma erwartete. Sie ließ Zorro aus dem Wagen
springen, der freudig bellend um die kleine Gruppe herumsprang, missbilligend
beobachtet von Lance, der überraschenderweise noch den ganzen Morgen nichts
gesagt und so getan hatte, als sei er unsichtbar.
„Macht dich denn deine
Kündigung nicht völlig fertig? Ich meine, was machst du denn jetzt?“
Kaja war selber immer noch überrascht, dass sie die Sache mit der
Kündigung nicht mehr stresste. „Zum einen bin ich in der glücklichen Situation,
dass ich ein kleines bisschen Geld gespart habe, mir also einen oder sogar zwei
Monate Zeit lassen kann, mich zu entscheiden, was ich machen möchte bzw. mir
einen Job zu suchen. Zum anderen hat es mir zumindest im letzten halben Jahr
auch überhaupt nicht mehr gefallen in der Firma. Klar, ich hatte einige Freunde
da. Aber die kann ich auch außerhalb der Arbeit treffen, wenn mir etwas daran
liegt.“ Sie bogen auf einen mit Gras bewachsenen Waldweg ein. Die Herbstluft
war wunderbar frisch und das herunter gefallene Laub raschelte unter ihren
Füssen.
„Ja das stimmt. Zumindest die, die dir wirklich wichtig sind. Und,
hast du schon eine Idee, bei welcher Firma du dich bewerben möchtest?“
„Hm, eigentlich nicht. Ich kenne natürlich in der Branche einige
Unternehmen, die in Frage kämen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, diese
unerwartete Kündigung stellt eine Chance dar, etwas gänzlich anderes zu
machen.“
„Hört, hört, sie hört doch tatsächlich auf ihr Gefühl“, neckte sie der
Drache, der sich nun doch entschieden hatte, sich am Gespräch zu beteiligen.
„Ja ja, reib es mir nur unter die Nase“, schnaubte Kaja. Wieder an
Miri gewandt meinte sie: „Was ich sagen will, ist, dass ich unter normalen Umständen
mir gar nie so konkret Gedanken darüber gemacht hätte, ob das, was ich mache,
auch das ist, was ich wirklich machen möchte. Vielleicht wäre ich in fünfzehn
Jahren eines Morgens aufgewacht und hätte mich gefragt, ob das jetzt alles war.“
„Aber du hast dich doch aus freien Stücken für diese
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