Die Drachenschwestern
steigen würde. So gut kannte sie
die Leute zwar gar nicht. Sie zuckte unbewusst mit den Achseln. Egal. Immerhin
waren alle eingeladen worden, dort zu übernachten, worüber sie ziemlich froh
war. In den letzten Wochen war sie so beschäftigt gewesen, Kaja mit dem Umzug
zu helfen, dass sie gar nicht mehr ausgegangen war. Den heutigen Abend hatte
sie sich also redlich verdient, fand sie. Entschlossen rubbelte sie sich die
frisch gewaschenen hellblonden kurzen Locken mit einem Handtuch trocken und
rieb sich dann mit einer von Josephines duftenden Körperlotionen ein. An dem
Wochenende, das sie mit Kaja dort verbracht hatte, hatte sie nicht widerstehen
können und sich dies und das aus Josephines Sortiment gekauft. Spannenderweise
hatte sie sich schlussendlich für eine Creme mit Orangenblütenöl entschieden.
Also war Kaja mit der Auswahl für die Kerze nicht ganz falsch gelegen,
schmunzelte sie in sich hinein. An den Armen und im Dekolleté trug sie glitzernden
Puder auf. Als sie komplett eingecremt war, rollte sie glänzende schwarze
Strümpfe über ihre Beine. Darüber kam ein Trägerkleidchen aus graugrünem
Knitterstoff, das tief ausgeschnitten war und knapp über ihr Hinterteil
reichte. In der Hoffnung, damit warm genug zu haben zog sie ein pinkfarbenes
Bolerojäckchen darüber. Zu guter Letzt schlüpfte sie in pinkfarbene Ballerinas
und ging zum Bett, wo sie ihre filigranen Elfenflügel deponiert hatte. Die
würde sie erst auf der Party befestigen. Sonst wären sie schon hinüber, wenn
sie dort ankäme. Ihre Handtasche ließ sie zu Hause. Sie nahm nur genug Geld mit
für das Taxi und eine kleine Tasche. Darin hatte sie ihre bequemen Sneakers,
ein T-Shirt und locker sitzende Jogginghosen für den Morgen danach verstaut.
Jetzt musste sie sich nur noch schminken. Schnell pinselte sie grüngolden
glitzernden Lidschatten auf und zog mit geübter Hand einen silbergrauen
Lidstrich. Schließlich trug sie mehrere Schichten Mascara auf, was ihren rauchgraublauen
Augen einen intensiven Blick verlieh. Zufrieden drehte sie sich vor dem
Spiegel. Vielleicht lernte sie ja heute jemand Neuen kennen. Zur Abwechslung
vielleicht einmal einen brauchbaren Mann. Im Gegensatz zu den kompletten
Losern, denen sie für gewöhnlich über den Weg lief beziehungsweise auf den Leim
ging. Sie streckte sich im Spiegel die Zunge heraus und machte sich auf den
Weg, die Elfenflügel in der Hand.
Zwei Stunden und einige Gläser Champagner später lehnte sie ziemlich
beduselt und auch ein wenig trübselig an der Wand. Bis jetzt hatte sich der
Abend nicht wirklich gelohnt. Die Kostüme der anderen waren recht einfallslos.
Die meisten hatten sich auf ein Krönchen im Haar (die Frauen) oder ein Vampirgebiss
aus Plastik (die Männer) beschränkt. Wie originell. Alle bemühten sich, so kühl
und abgeklärt wie möglich aufzutreten. Gott bewahre, dass man ein paar Sätze
mit einem fremden Menschen wechseln könnte! Ihre Gastgeber konnten sich nicht
einmal entfernt an sie erinnern. Zugegebenermaßen, Miri sich auch nicht an sie.
Vermutlich war ihre E-Mail-Adresse mehr zufällig auf einer Verteilerliste
aufgetaucht. Sie seufzte. Immerhin hatte sie ein Bett zum übernachten. Noch
dazu in einem eigenen Zimmer. Dieses Anwesen war schon der Hammer. Miri fragte
sich, ob sie nicht doch lieber schon heute nach Hause fahren sollte. Sie konnte
sich nicht vorstellen, dass sich die Stimmung hier noch wesentlich verbessern
würde.
„Du erdrückst deine Elfenflügel“, ertönte eine männliche Stimme mit
einer Andeutung eines Akzents, den sie nicht recht einordnen konnte, hinter ihr.
Verwundert darüber, von jemandem angesprochen zu werden, drehte sie
sich um. Und blickte in ein Paar strahlend blaue Augen, umrahmt von
dunkelblonden Haarsträhnen, die ihm nachlässig in die Stirn fielen. Auf dem
Kopf trug er einen australischen Lederhut, dessen Kinnriemen locker hinunter
auf seine Brust baumelte. Ihre Augen erfassten blitzschnell jedes Detail. Bei
seinem Oberkörper blieb ihr Blick allerdings ein wenig länger hängen. Die
breiten Schultern steckten in einem verwaschenen Hemd. Die aufgerollten Ärmel
gaben den Blick frei auf muskulöse Unterarme und sie fragte sich unwillkürlich,
ob der Rest dieses Mannes genauso kräftig und wohldefiniert war. Passend zum
Hut trug er eine Lederweste über dem Hemd und ein Messer am Gurt seiner engen
Jeans, die sich vielversprechend an schmale Hüften und muskulöse Oberschenkel
schmiegten. Unbewusst leckte sie sich über die
Weitere Kostenlose Bücher