Die Drachenschwestern
zu.
„Mémé, meine Großmutter, die ich vorhin erwähnt habe, sie ist das, was
Leute vor allem früher gemein hin als Hexe bezeichnet haben.“
„Das ist ja cool.“
„Ja, echt cool, vor allem als 12jährige, wenn dich deine
Schulkameraden alle als Hexenbalg verspotten“, antwortete Kaja sarkastisch.
„Oh“, meinte Miri ein wenig
kleinlaut.
„Ist schon okay. Heute könnte ich mich damit bei Cocktailpartys
interessant machen, da jeder zumindest ein bisschen auf der esoterischen Welle
reitet. Jeder hat mindestens einen indianischen Traumfänger zuhause, oder, je
nach Geldbeutel, eine Visionssuche gemacht oder ist mit den ach so spirituellen
Delphinen geschwommen.“
Gespielt verstohlen warf Miri einen Blick auf ihren eigenen
Traumfänger, der gut sichtbar über dem Bett hing. Kaja, die ihrem Blick gefolgt
war, ließ ihrerseits ein betroffenes „Oh“ hören.
„Hör zu, tut mir Leid, ich bin manchmal ein Trampel, Diplomatie
gehörte noch nie zu meinen Stärken. Und dass obwohl meine Eltern beide im
diplomatischen Dienst stehen.“
Miri musste lachen. „Ehrlich gesagt, ich musste einfach da hin
schauen. Ich fühle mich allerdings von deiner Beschreibung nicht persönlich
angesprochen. Ich denke, ich weiß schon was du meinst, diese
Feierabend-Erleuchteten.“
„Eben, und obwohl ich keinerlei Autorität besitze, über dieses Thema
eine Meinung abzugeben, erlaubt dir die Tatsache, dass du Lance siehst und
einen eigenen Drachen hattest, sicherlich den Besitz eines Traumfängers“,
blödelte Kaja. Miri streckte ihr die Zunge heraus.
„Erzähl jetzt endlich weiter.“
„Also, Mémé praktiziert den alten Glauben, kennt sich hervorragend mit
Heilkräutern aus, spricht mit Pflanzengeistern, und wenn jemand im Dorf ein
Problem hat, bei dem er nicht weiter weiß, landet er irgendwann bei Mémé und
schüttet ihr sein Herz aus. Und verlässt sie wenig später wieder mit einem
besseren Gefühl. Zumindest das, wenn nicht sogar mit einem Lösungsansatz zu
seinen Problemen. Von ihr habe ich meine ganze Kindheit über gelernt und
gesehen, dass es so etwas wie Feierabendhexen, wenn wir bei diesem Begriff
bleiben wollen, nicht gibt. Es ist eine Haltung im Leben, die kannst du nicht
einfach an-und ablegen, wie du gerade Lust hast.“
„Und du? Hast du
auch so einen engen Bezug zur Natur und zur Göttin?“, wollte Miri wissen.
„Hm, nein. Ich bin so was wie Mémés lebenslanges Projekt. Nicht, dass
sie versuchen würde mich zu bekehren oder so“, beeilte sie sich hastig zu
sagen. „Es ist mehr so, als würde sie versuchen, mir einen Zugang dazu zu
verschaffen. Und natürlich war und bin ich immer damit konfrontiert, wenn ich
bei ihr bin. Aber eben, bisher habe ich mich als ziemlich resistent erwiesen.
Ich denke, dass ich mich durch die Pöbeleien in der Kindheit ziemlich
abgeschottet habe von all diesem intuitiven Zeug.“
„Aha.“
„Was aha?“
„Nun, vermutlich ist das momentan ziemlich im Umbruch, seit du dich
mit dem Drachen herumschlagen musst, oder?“
„Tja, da könntest du Recht
haben“, stimmte Kaja ihr widerwillig zu.
„Spannend. Aber eigentlich sind wir ziemlich von unserer dringenderen
Frage weggekommen. Wieso sehe ich deinen Drachen?“
„Ich hab da eine Idee. Besser gesagt, ich habe Lance gefragt,
beziehungsweise zur Rede gestellt.“ Sie grinste. „Ich wollte schließlich auf
der Stelle wissen, wieso eine wildfremde Person plötzlich mein ganz privates
Monster sieht.“
„Und? Was hat er gemeint?“
Erwartungsvoll setzte sich Miri im Sessel auf und verschränkte die
Beine zum Schneidersitz.
„Erst wusste er es auch nicht. Dann ist er losgezogen, um den
Drachenrat zu befragen.“
„Drachenrat?“ Miri
schaute etwas verwirrt drein.
„Vergiss
es“, meinte Kaja lachend. „Das ist eine andere lange Geschichte und wir wollten
doch auf den Punkt kommen.“
„Stimmt.“
Kaja gab Miri einen kurzen Abriss von dem, was Lance in Erfahrung
gebracht hatte. Als sie geendet hatte, wiederholte Miri ungläubig:
„Drachenschwestern?“
„Ja, ich weiß, es klingt ziemlich fantastisch. Andererseits“, begann
sie nach einer kleinen Pause, „sind Drachen als Haustiere ja sowieso nicht
normal zu nennen.“
Miri grinste. „Stimmt. Und sei bloß froh, dass Lance nicht hier ist.
Ich bin nicht sicher, wie erfreut er wäre, wenn er das eben gehört hätte.“
„Was?“
„Na, das mit dem
Haustier.“
„Ach, das würde ihm bloß gut tun“, kicherte Kaja. „Ab und zu ein Tritt
an
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