Die Drachenschwestern
seufzte Kaja übertrieben.
„Siehst du?
Deshalb habe ich mich auch gewundert, dass, wie hast du ihn genannt, Lance?“
„Genau.“
„Das Lance nicht mitgekommen
ist.“
„Ich hab den einen oder anderen Trick von Mémé gelernt“, gab Kaja zu.
„Heute Abend allerdings hat es gereicht, dass ich ihn darum gebeten habe, zu
Hause zu bleiben.“
„Okay, ich bin beeindruckt.“
„Aber was ist denn nun mit deiner Drachenerfahrung? Hast du einen
eigenen Drachen? Oder hast du ein Wochenendseminar besucht, ‚Wie finde ich
einen Drachen‘?“, scherzte Kaja.
Miri gluckste. „Ich hatte
einen, als ich klein war.“
Miris Blick wanderte in die Ferne, in ihre Kindheit zurück. Kaja holte
sie zurück mit der Frage: „Und wo ist er dann hin?“
„Oh, ich weiß nicht mehr genau. Irgendwann war sie, es war ein weiblicher
Drache oder besser gesagt ein Drachenmädchen, einfach weg. Aber ich könnte dir
gar nicht mehr genau sagen, wann das war. Oder weshalb sie verschwand. Sie war
meine beste Freundin.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich denke das war so in
der Zeit, als ich zwischen vier und zehn Jahren alt war.“ Sie sprang auf, ein
Bündel Energie, unfähig, länger stillzusitzen. Während sie in dem kleinen Raum
hin und her lief, erzählte sie einige lustige Episoden aus ihrer Kindheit.
„Einerseits war dieses Drachenmädchen furchtbar altklug und auch entsetzlich
weise, was ich oft fürchterlich fand.“
„Wieso denn das?“
„Na ja, weil sie mich halt oft davon überzeugte, dass meine Mama schon
recht hatte, wenn ich wieder einmal Unsinn getrieben hatte. Und meistens hat
sie das noch so hingekriegt, dass ich sogar selber zu dem Schluss gekommen
bin.“
„Kommt mir doch bekannt vor. Und stell dir vor, wenn dir das als Kind schon
gegen den Strich gegangen ist, wie’s mir jetzt geht mit Lance“, brummte Kaja.
Miri setzte sich kurz zu Kaja
auf das Sofa und tätschelte ihr mitfühlend den Arm.
„Du Arme. Aber wenn der Rest zwischen dir und deinem Drachen auch
ähnlich ist wie bei mir, habt ihr bestimmt jede Menge Spaß miteinander, oder? Maxi
hat mir nämlich bei vielen Gelegenheiten auch geholfen, Streiche auszuhecken
und zu perfektionieren.“
„Das stimmt“, gab Kaja lachend zu und dachte sogleich an die Nacht als
sie zusammen in der Firma eingebrochen waren.
Ihr Gedankengang wurde von Miri unterbrochen, die inzwischen wieder
aufgesprungen war und einen Stapel Karten flink zwischen ihren Fingern umher
wirbelte. „Nur, was mir immer noch nicht klar ist, wieso kann ich Lance sehen?
Der ist ja schließlich dein Drache, oder? Oder gibt’s sowas wie
Gemeinschaftsdrachen?“
„Sicher nicht. Also, keine Ahnung. Aber Lance ist definitiv mein
Drache!“ Kaja wurde ein wenig rot, als sie merkte, wie vehement sie gesprochen
hatte. „Sorry, tut mir leid. Ich weiß ja, du willst ihn mir nicht wegnehmen.
Aber offensichtlich habe ich trotz meiner widersprüchlichen Gefühle Lance
gegenüber, einen gewissen Besitzanspruch entwickelt“, schloss sie ein wenig
lahm.
Miri lächelte sie verständnisvoll an, legte die großen Karten wieder
an ihren Platz auf dem Fensterbrett und schenkte Tee nach. „Also, ich wär
fuchsteufelswild geworden, hätte ich auch nur vermutet, dass noch jemand anders
meinen Drachen sehen kann. Nachdem wir das jetzt geklärt haben, können wir uns
aber doch nochmal dieser Frage zuwenden. Nur, wie sollen wir das herausfinden?“
„Wie wäre es mit einem Wochenendseminar zum Thema ‚1001 Fragen und
Antworten zu Drachen‘?“ Die beiden prusteten los.
Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, hakte Miri nach:
„Kann das sein, dass du eine leichte Abneigung gegen Wochenendkurse hast?“
„Na ja, nicht grundsätzlich. Nur wenn du darauf achtest, welche
Ausbildungen oder Seminare in gewissen Zeitungen angeboten werden: ‚Werde
Schamane über Nacht‘ oder ‚Weißes Hexenwissen in einem Tag‘ und so weiter, das
kann ich einfach nicht ernst nehmen.“
„Du glaubst nicht an solche
Dinge?“, wollte Miri interessiert wissen.
„Nein. Doch. Ach, es ist
kompliziert zu erklären.“
Miri ließ sich wieder
gegenüber von Kaja in ihren Sessel fallen.
„Na los, erzähl schon. Ich
habe Zeit – und du?“
„Okay, okay, überredet. Es ist ein wenig abgefahren. Aber nachdem wir
uns ja schon als wäre es das normalste der Welt, über Drachen unterhalten,
passt das ganz gut hier hin, denke ich zumindest.“
„Da hast du vermutlich recht“,
stimmte ihr Miri ungeduldig
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