Die drei !!!, 16, Total verknallt!
Statistenrollen bekommen! Nach all dem Ärger mit Holger und diesem unverschämten neuen Nachbarn brauchte sie dringend einen Lichtblick in ihrem trüben Dasein.
Marie atmete einmal tief durch und drückte die schwere Holztür auf. Sie betrat ein geräumiges Foyer, in dem reges Treiben herrschte. Mindestens dreißig Leute standen in kleinen Gruppen beieinander und unterhielten sich, blätterten in Textbüchern oder gingen stumm die Lippen bewegend auf und ab. Marie blieb überrascht stehen. Mit so einem großen Andrang hatte sie nicht gerechnet. Sie schien hier eine der Jüngsten zu sein. Die meistenBewerber sahen aus wie Mitte zwanzig oder noch älter. Wahrscheinlich hatten sie schon jede Menge Schauspielerfahrung. Das war etwas völlig anderes als die Rollenverteilung in ihrer Theater-AG. Plötzlich kam sich Marie klein und unwichtig vor, ein Gefühl, das ihr weitgehend fremd war – und das ihr ganz und gar nicht gefiel. Sie straffte die Schultern und heftete ihren Blick auf einen Tisch am hinteren Ende des Foyers, an dem eine junge Frau Fragebögen an die Bewerber austeilte. Offenbar musste man sich dort anmelden. Genau das würde sie jetzt auch tun. Und nachher würde sie alle anderen Bewerber an die Wand spielen, jawohl!
»Hallo, Marie!«
Marie fuhr herum und sah direkt in Adrians grinsendes Gesicht.
»Na, heute mal ohne Gesichtsmaske unterwegs?«, fragte er.
Marie war so überrascht, dass sie Adrian mehrere Sekunden stumm anstarrte, statt auf seinen blöden Spruch zu reagieren. Dann krächzte sie: »Was machst du denn hier?« Sie räusperte sich. »Allmählich hab ich den Eindruck, du verfolgst mich.«
»Keineswegs.« Adrian fuhr sich durch seine halblangen Haare. Er hatte sie offenbar gewaschen, denn sie sahen viel besser aus als bei ihren ersten beiden Begegnungen. Heute trug er auch nicht die fleckigen Jeans, sondern eine schwarze Cordhose und dazu ein schneeweißes Hemd. Sehr schlicht, aber durchaus stilvoll, wie Marie insgeheim zugeben musste.
»Sag bloß, du machst auch beim Vorsprechen mit!« Marie warf ihre frisch geföhnten Haare über die Schulter zurück. Sie war froh, dass sie sich vorhin so sorgfältig gestylthatte. Nicht dass es ihr wichtig war, was dieser Typ von ihr hielt. Aber jetzt konnte er wenigstens sehen, dass sie normalerweise nicht wie eine Vogelscheuche herumlief.
»Nein, ich hab schon eine Rolle«, sagte Adrian, als wäre das völlig selbstverständlich.
»Wie bitte?« Marie runzelte die Stirn. »Was soll das denn heißen?«
»Ich gehe auf die Schauspielschule, und unser Jahrgang führt das Stück auf, für das heute die Statisten gesucht werden: Geschlossene Gesellschaft von Sartre«, erklärte Adrian.
Marie schluckte. »Und du spielst auch mit?«
Adrian nickte. »Ich spiele eine der Hauptrollen. Kennst du das Stück?«
Marie überlegte kurz, ob sie Adrian anschwindeln sollte, aber dann entschied sie sich doch für die Wahrheit. »Nein, ehrlich gesagt hab ich noch nie davon gehört.«
»Das Stück ist einfach super!« Adrians Stimme bekam plötzlich einen richtig leidenschaftlichen Klang. »Es ist ziemlich kurz, ein Einakter mit drei Hauptfiguren und einer Nebenfigur, dem Kellner. Es geht um eine Dreiecksbeziehung zwischen einem Mann und zwei Frauen. Die Figuren sind in der Hölle und quälen sich gegenseitig, weil jeder auf den anderen eifersüchtig ist. Damit die Stimmung noch bedrohlicher wird, hatte unser Regisseur die Idee, Statisten als zusätzliche Kellner einzuführen.«
»Klingt spannend«, musste Marie zugeben. »Und du gehst tatsächlich auf die Schauspielschule? Das ist echt cool!«
»Ja, es macht mir auch total viel Spaß. Theater ist mein Leben.« Bei jedem anderen hätte dieser Spruch abgedroschen oder übertrieben geklungen, aber Adrian nahm man ihn sofort ab. Seine hellbraunen Augen sprühtenförmlich vor Begeisterung. Marie fiel auf, dass sie eigentlich ziemlich schön waren, genauso wie seine schmale, gerade Nase und die geschwungenen Lippen. Er hatte irgendwie ein klassisches Gesicht – schade, dass er es meistens hinter seinen fransigen Haaren versteckte.
»Ich spiele auch für mein Leben gern Theater.« Marie seufzte. »Aber ich fürchte, bei der Konkurrenz hier hab ich schlechte Karten. Die scheinen sich alle total gut vorbereitet zu haben.«
»Ach was, die meisten tun doch nur wichtig.« Adrian beugte sich zu Marie und senkte die Stimme. »Ich verrate dir was: Ihr müsst keine vorbereitete Rolle spielen, sondern improvisieren. Du hast also
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