Die drei Ehen der Grand Sophy
Eifersucht durchtobt sein. Überlegen Sie nur! Ich wußte selbst nicht weiter, bis mir einfiel, was da einmal in meiner Gegenwart ein sehr bedeutender Kriegsmann geäußert hat. ›Die Überraschung ist die Seele des Angriffs!‹ Ein Glück, daß mir das im richtigen Augenblick einfiel!«
»Ein unerhörtes Glück«, sagte er sarkastisch. »Ich hätte die größte Lust, an der nächsten Mautstelle auszusteigen.«
»Damit würden Sie alles verpfuschen.«
»Aber das ist doch entsetzlich, Sophy!«
»Es wäre entsetzlich, wenn die Motive nicht die reinsten wären.«
Darauf wußte er nichts zu erwidern, und sie verharrte einige Minuten in Schweigen. Nachdem er alles gründlich durchdacht hatte, sagte er: »Sie sollten mir lieber die ganze Wahrheit sagen! Gewiß weiß ich erst die Hälfte. Welche Rolle spielt Charles Rivenhall in dieser Geschichte?«
Sie strich über Tinas Rücken. »Ach, ich habe einen so schrecklichen Streit mit Charles gehabt, daß ich jetzt gezwungen bin, Zuflucht in Lacy Manor zu suchen«, klagte sie.
»Und Sie haben zweifellos einen Brief hinterlassen, um ihm das mitzuteilen?«
»Natürlich.«
»Auf diese Begegnung freue ich mich schon«, sagte er voll Bitterkeit.
»Das Wiedersehen wird schwierig«, gestand sie. »Aber ich habe das Gefühl, daß ich darüber hinwegkommen werde. Und ich verspreche Ihnen, Charlbury, daß Sie mit heiler Haut aus dieser Sache herauskommen – nun ja, wenn nicht ganz, so doch einigermaßen.«
»Sie ahnen nicht, wie Sie meine Laune verbessern! Ich bin zwar weder mit Pistolen noch mit Fäusten für Rivenhall ein würdiger Partner, aber Sie werden mir anderseits glauben, daß ich nicht so feig bin, einer Begegnung mit ihm auszuweichen.«
»Natürlich halte ich Sie nicht für feig«, beruhigte sie ihn, »aber es kann doch unmöglich Charles’ Zwecken entsprechen, Sie zu zerklopfen – ist der Ausdruck stilgerecht?«
»Völlig stilgerecht.«
»– oder zu durchlöchern«, fügte sie mit ungeminderter Heiterkeit hinzu.
Er mußte lachen. »Ich sehe wohl, Rivenhall ist noch mehr zu bedauern als ich. Warum haben Sie sich eigentlich mit ihm gezankt?«
»Mußte ich doch! Irgendeinen Vorwand mußte ich finden, um aus dem Haus zu fliehen. Das müssen Sie doch einsehen! Schließlich ist mir nichts Besseres eingefallen, als den jungen Braunen aus seinem Stall zu holen, den er neulich gekauft hat. Ein schönes Tier, wunderbar in der Gangart, aber noch gar nicht auf Londoner Verkehr trainiert und viel zu stark für eine Frauenhand.«
»Hab das Pferd gesehen. Wollen Sie ernstlich behaupten, Sophy, daß Sie damit ausgefahren sind?«
»Bin ich … schändlich, nicht? Auf mein Wort, ich hatte selber Gewissensbisse! Übrigens ist nichts passiert! Er hat nicht umgeworfen, und Charles kam mir zu Hilfe, bevor ich in wirkliche Ungelegenheiten geriet. Na, er hat mir schöne Sachen gesagt –! Noch nie habe ich ihn in solcher Wut gesehen! Wenn ich mir nur die Hälfte der Beleidigungen gemerkt hätte, die er mir an den Kopf geworfen hat! Übrigens spielt das keine Rolle. Schon die Hälfte reichte aus, um aus seiner Nähe zu flüchten.«
Er schloß die Augen. »Sie haben ihn doch ohne Zweifel informiert, daß Sie meinen Schutz erbeten haben?«
»Nein, das war nicht nötig. Cecy wird es ihm schon sagen.«
»Ein glücklicher Umstand! Sie wollen mir doch, wenn ich begraben werde, einen schönen Kranz spenden?«
»Gewiß. Wie die Dinge liegen, spricht einiges dafür, daß Sie vor mir sterben.«
»Wenn ich dieses Abenteuer überlebe, dann wohl nicht. Ihr Schicksal steht mir klar vor Augen: man wird Sie ermorden. Es ist mir schwer verständlich, wieso Sie noch nicht ermordet worden sind.«
»Wie sonderbar! Charles hat das auch einmal zu mir gesagt, oder etwas Ähnliches.«
»Das ist gar nicht sonderbar. Jeder vernünftige Mann muß das sagen.«
Sie lachte: »Sie sind ungerecht. Ich habe noch nie irgend jemandem den geringsten Harm zugefügt. Mag sein, daß meine Strategie in bezug auf Charles versagt – in Ihrem Fall, davon bin ich überzeugt, muß sie richtig sein. Geben wir uns damit zufrieden. Die arme Cecy! Stellen Sie sich bloß vor, wie entsetzlich es sein muß, wenn sie sich gezwungen sieht, Augustus zu heiraten und den Rest ihres Lebens damit zu verbringen, sich seine Gedichte anzuhören!«
Dieser Ausblick auf die Situation machte auf Lord Charlbury einen so tiefen Eindruck, daß er in Schweigen versank. Als sie am nächsten Mauthaus vorbeikamen, äußerte er keine
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