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Die drei Ehen der Grand Sophy

Die drei Ehen der Grand Sophy

Titel: Die drei Ehen der Grand Sophy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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gewöhnt und gewiß nicht für die Hand einer Dame bestimmt. Mr. Rivenhall konnte den Braunen zügeln, aber selbst ein so geübter Fahrer wie Mr. Wychbold mußte zugeben, daß das ungefügige Tier den Lenker vor schwere Aufgaben stellte. Wenn Mr. Rivenhall überdachte, welche Tücken der Braune in letzter Zeit gezeigt, so trat ihm der Angstschweiß auf die Stirn. Jetzt bot seine Angst seinem Ärger Schach. Daß man sein Pferd ohne seine Erlaubnis entliehen hatte, mochte ihn erzürnen, aber sein Zorn war nichts gegen die mörderische Wut, die ihn nun überkam. Sophy hatte unverzeihlich gehandelt – daß ihr Betragen eigentlich nicht zu ihr paßte, konnte er in diesem Augenblick nicht ruhig erwägen –, und jetzt lag sie vielleicht bereits mit gebrochenem Genick auf dem Pflaster.
    »Satteln Sie Thunderer und das braune Hilfspferd«, befahl er.
    Die beiden Grooms beeilten sich, seinen Befehl auszuführen, und wechselten dabei Blicke, die Bände sprachen. Kein Stallknecht der Poststation, der darauf eingeschult ist, Pferde in vierzig Sekunden auszuwechseln, hätte flinker arbeiten können; und während das übrige Stallpersonal noch mit offenem Munde dastand, ritt Mr. Rivenhall bereits, in wohlabgemessenem Abstand von seinem Groom gefolgt, in vollem Galopp zum Hydepark.
    Er hatte richtig geraten, aber es war vielleicht ein Mißgeschick, daß er gerade in dem Augenblick seiner Kusine begegnete, als der junge Braune, eben erst vor einem Knaben zurückscheuend, der ein Kätzchen über den Weg jagte, einen temperamentvollen Versuch unternahm, mit der Hinterhand gegen den Wagenboden zu feuern. Mr. Rivenhall hatte beinahe geglaubt, er wäre bereit, alles zu verzeihen, wenn er die Kusine unverletzt fände – aber das war ein Irrtum gewesen. Blaß vor Zorn sprang er vom Pferd, warf die Zügel über Thunderers Kopf hinweg dem Groom zu, gab diesem die Anweisung, das Pferd heimzuleiten, schwang sich in den Tilbury und riß die Zügel an sich. Eine ganze Weile war er mit dem Pferd beschäftigt, und Sophy hatte Muße, sein Geschick zu bewundern. Sie hatte ihre Sache nicht schlecht gemacht, aber der Braune wollte sich nicht fügen; Mr. Rivenhalls Meisterschaft, ein temperamentvolles, noch halbwildes Tier zu bezwingen, konnte sie nicht für sich in Anspruch nehmen. Es war gewiß nicht ihr Plan, Mr. Rivenhalls Zorn zu besänftigen, und fast gegen ihren Willen rief sie aus: »Du bist wirklich kapital; wie kapital du bist, das habe ich bis heute noch nicht gewußt!«
    »Dazu brauche ich dein Lob nicht!« fuhr er sie an, und seine Miene und Stimme standen in sonderbarem Gegensatz zur ruhigen Festigkeit seiner Hände. »Wie konntest du dir das erlauben?! Wenn du dir das Genick gebrochen hättest – es wäre nur verdient gewesen! Daß mein Pferd dabei nicht zu Schaden gekommen ist, kann als Wunder gelten.«
    »Pah«, sagte Sophy und machte den bereits begangenen Fehler noch schlimmer, indem sie diese Lunte ins Feuer schob.
    Das Ergebnis entsprach durchaus ihren Erwartungen. Die Rückfahrt nach dem Berkeley Square nahm nur wenige Minuten in Anspruch, aber Mr. Rivenhall packte alle Erbitterung in diese Minuten hinein, die er seit Wochen aufgespeichert hatte. Das charakterliche Bild seiner Kusine ging dabei völlig in Fetzen; er rechnete mit ihren Manieren ab, ihrer Moral, ihrer Erziehung; er bedauerte, daß er sie nicht rechtzeitig in die Hände bekommen hatte, um ihr Benehmen beizubringen, und sprach mit dem gleichen Atemzug dem Mann sein Mitleid aus, der närrisch genug wäre, ein solches Frauenzimmer zu heiraten; und er sehnte den Tag herbei, an dem er von ihrer unwillkommenen Gegenwart befreit sein würde.
    Es war fraglich, ob es Sophy gelingen würde, die Fluten dieser Beredsamkeit einzudämmen. Tatsächlich versuchte sie es gar nicht, sondern saß, die Hände in den Schoß gelegt, mit niedergeschlagenen Augen neben ihrem Ankläger. Daß seine Wut, gegen alle Vernunft, durch ihre Ruhe zur Weißglut angefacht wurde, war ihr klar. Es hatte während dieser Eskapade Momente gegeben, in denen sie selbst im Zweifel gewesen war, ob sie sich und das Pferd heil heimbringen würde. Gewiß war ihr der Cousin noch nie so willkommen gewesen wie in dem Augenblick, da sie seiner ansichtig wurde; und ein Blick auf sein Gesicht hatte ihr die Gewißheit verschafft, daß seine Aufregung in keinem Verhältnis zu der Sorge stand, die selbst der leidenschaftlichste Sportler für sein Pferd empfinden konnte. Jetzt mochte er sagen, was er wollte: sie

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