Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Titel: Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bolz
Vom Netzwerk:
Rand des Wassers wuchsen Beeren. Joshua konnte zum ersten Mal seit Tagen seinen Hunger vollständig stillen. Und wäre da nicht die nagende Sorge um Krieg gewesen und was aus ihm geworden war, er wäre zufrieden gewesen.

 
     
     
    Kapitel 10 – Spiegel
     
     
    Du musst dein Futter nicht vor mir verstecken“, dachte Joshua, als der Wolf zurückkam. „Es macht mir nichts aus, wenn du vor mir isst. Du kannst nicht anders sein, als du eben bist.“
    „Und dir ist nicht wohl dabei, ob du willst oder nicht. Deshalb esse ich, wenn du nicht dabei bist, und dann komme ich wieder zurück“, antwortete der Wolf.
    Wie üblich konnte sich Joshua der Logik des Wolfs nicht entziehen. Er wusste inzwischen, dass es sich nicht lohnte, darüber zu diskutieren, vor allem, wenn der Wolf offensichtlich recht hatte.
    „Ich habe so viele Fragen“, dachte Joshua.
    „Du wirst sicher bald Antworten bekommen“, gab Grau zurück. „Aber was ist mit Krieg und dem Pegasus?“
    „Als ich sie zuletzt gesehen habe, hatten sie den steilen Pfad erreicht, der an die Oberfläche führt. Das ist alles, was ich weiß“, antwortete Joshua.
    „Wenigstens sind sie wohl erst einmal in Sicherheit“, dachte der Wolf. Doch sein besorgter Tonfall strafte seine Zuversicht Lügen und Joshua wusste, dass sich der Wolf lediglich an eine Hoffnung klammerte. Für eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen und alles, was sie hörten, war das Zirpen der Insekten und die sanfte Brise, die durch die Gräser fuhr und in den Wipfeln der Bäume raschelte.
    „Woher kennst du diesen Ort?“ Joshua war sich nicht sicher, ob er die Antwort wirklich hören wollte, aber er fragte trotzdem.
    „Ich kenne ihn nicht. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran. Wolf und Adler haben schon immer enge Bande verbunden, durch alle Zeiten. Ich kenne Ayres, seit ich ein Welpe war. Wir kamen beide aus den Eiswäldern und in unserer Jugend haben wir gemeinsam in der großen weißen Tundra gejagt. Keine Beute war zu groß für uns. Es gab riesige Büffel dort, die unsere beiden Familien einen Monat lang satt machen konnten. Sobald wir unsere Jugend hinter uns gelassen hatten, wurde Ayres berufen, der Wächter des Tores zu werden. Seitdem lebt er hier. Es ist ein einsames Leben, doch dem, der es mit offenen Armen aufnimmt, kann es große Freude bereiten. Manchmal stellen sich Erinnerungen, die ich für meine eigenen halte, als seine heraus. Doch sie sind meist neblig und schwer zu erkennen. Ab und zu erhasche ich einen Blick auf Gedanken, die nicht meine sind, sondern die des Adlers.“
    „Es scheint, als hättest du selbst einige Fragen“, meinte Joshua.
    „So ist es“, antwortete der Wolf.
    Es entstand eine Pause, in der Joshua den Wolf betrachtete. Er sah etwas in seinen Augen, über das er eigentlich nicht mehr mit ihm hatte sprechen wollen.
    „Grau.“
    „Ja.“
    „Du denkst oft an deine Gefährtin, nicht wahr?“ Joshua war klar, dass er das Thema wahrscheinlich nicht hätte anschneiden sollen, doch nun konnte er es nicht mehr zurücknehmen. „Du musst nicht antworten, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht mit meinen Fragen belasten.“
    Grau sah ihn an. „Ich denke immer an sie, Joshua. Ich denke an sie wenn ich aufwache und wenn ich einschlafe. Ich sehe sie im Wasser und in den Wolken am Himmel. Sie ist überall. Und doch scheint sie so weit weg zu sein, unerreichbar, und manchmal möchte ich gar nicht mehr leben, wenn das heißt, ohne sie zu sein.“
    „Es tut mir leid.“
    „Das muss es nicht, denn du bist ein guter Freund und die sind schwerer zu finden, als du denkst. Das lindert meinen Schmerz, der von innen an mir zehrt.“
    Sie sahen sich noch einen Augenblick an. Dann gähnte Grau lange und ließ sich auf die Seite fallen. Joshua sah zum Himmel hinauf. Er stellte fest, dass weder Wolken noch Nebel zu sehen waren. Seltsam, konnte man doch von oben nichts von hier unten erkennen. Und während er sich noch darüber wunderte, wurde er plötzlich sehr müde und fiel in einen traumlosen Schlaf, aus dem er erst erwachte, als die Sonne in sein Gesicht schien und seine Federn wärmte.

 
     
     
    *  *  *
     
    Als er die Augen öffnete, wusste er zunächst nicht, wo er war. In der Ferne sah er ein Schimmern, als ob das Licht und die Luft seinen Augen einen Streich spielten.
    „Grau“, dachte er, doch er konnte den Wolf nirgends entdecken. Er sah sich um. Alles war still. Vor seinem inneren Auge sah er das Bild eines klaren Bachs, in dem der Wolf

Weitere Kostenlose Bücher