Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
herumsprang und nach Fischen suchte, bis er endlich einen fing. In diesem Moment bog Grau um einen kleinen Hügel und kam auf ihn zu. Als er ihn erreichte, schüttelte er sich und spritzte Wasser in alle Richtungen. Joshua lächelte in Gedanken.
„Wie weit mag das sein?“ Joshua blickte in die Richtung, in der das Schimmern in der Luft lag.
„Zwei Tagesreisen, vielleicht drei. Schwer zu sagen von hier aus. Wenn wir irgendwo hochklettern würden, könnten wir es vielleicht besser einschätzen“, antwortete der Wolf.
„Vielleicht sollten wir dorthin gehen“, dachte Joshua.
„Wie kommst du darauf?“, fragte der Wolf.
„Ich weiß auch nicht“, gab Joshua zurück. „Vielleicht, weil ich nicht weiß, was wir sonst tun sollen.“
„Manchmal sollte man den Ort aufsuchen, der direkt vor einem liegt“, dachte der Wolf.
„Und manchmal gilt genau das Gegenteil“, fügte Joshua hinzu.
„Ich schätze, das werden wir bald herausfinden.“
Sie wussten nicht, wie lange sie schon unterwegs waren, doch als sie grüne Felder durchquerten, die in der Sonne golden glitzerten, und kleine Bäche, die in Moorgebiete mündeten, lagen die steilen Klippen schon weit hinter ihnen. Als die Sonne im Zenit stand, erklommen sie einen kleinen Hügel, um einen Rastplatz zu finden. Joshuas innere Uhr war völlig durcheinandergeraten. Sie mussten bereits einige Tage unterwegs sein, obwohl die Sonne niemals untergegangen war und gerade erst ihren Höhepunkt erreicht hatte. Als sie in das weite Tal hinunterblickten, sahen sie das Schimmern in der Ferne, als ob Hunderte von Spiegeln das Licht und die Landschaft ringsum reflektierten und unendlich ineinander projizierten. Es war immer noch schätzungsweise eine Tagesreise entfernt, doch als sie den Hügel hinabstiegen und ihren Weg fortsetzten, sahen sie zwei Gestalten, ungefähr einen Kilometer vor ihnen, die sich in ihre Richtung bewegten. Joshua erkannte seine rot leuchtende Gestalt, die in der Sonne schimmerte. Er sah den Wolf neben sich und die Klippen weit hinter ihnen. Ihm wurde klar, dass er in einen riesigen Spiegel blickte, hoch wie ein zwanzigstöckiges Gebäude und ebenso breit.
„Was ist das?“, fragte Joshua.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Grau.
In diesem Moment hatte Joshua einen seltsamen, beunruhigenden Gedanken. „Was, wenn gar nichts dahinter ist und alles, was wir die ganze Zeit gesehen haben, nur unser eigenes Spiegelbild war?“
„Ich hoffe, dass du falsch liegst, aber irgendwie habe ich das Gefühl, du hast recht.“ Grau konnte die Sorge in seinen Gedanken nicht verbergen. „Wir sollten vorsichtig sein.“
Als sie näher kamen, konnte Joshua das Unwohlsein, das in ihm aufgekommen war, nicht abschütteln. „Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir überhaupt nicht“, dachte er. Und dann sah er im Spiegelbild, wie der Wolf die Zähne fletschte und seine gewaltigen Reißzähne ohne Vorwarnung in Joshuas Hals schlug. Joshua schrie auf und flatterte hoch in die Luft, bevor ihm klar wurde, dass das, was er in dem Spiegel gesehen hatte, gar nicht wirklich geschehen war. Grau war genauso überrascht wie er.
„Hast du das gesehen?“, fragte Joshua.
„Nein. Ich habe nur gesehen, wie du in die Luft geflogen bist“, gab der Wolf zurück.
„Ich habe in dem Spiegel gesehen, wie du mich an der Kehle gepackt hast...“ Dieser entsetzliche Gedanke ließ Joshua verstummen.
„Joshua.“ Der Wolf blieb stehen und sah ihn an. „Du musst wissen, dass ich das niemals tun würde.“
„Das weiß ich, Grau.“
„Wirklich?“
Joshua wurde klar, dass er sich niemals sicher sein würde, dass sich sein Freund nicht doch gegen ihn wenden würde – egal, wie sehr er sich sicher sein wollte. Ein kleiner Zweifel war immer in ihm geblieben, als ob er Grau niemals völlig vertrauen könnte, als ob er einen Teil von sich vor ihm verbergen und in Sicherheit bringen müsste, als ob er sich seinem Freund niemals ganz offenbaren könnte. Wenn das nicht so wäre, hätte er gerade nicht so reagiert, wie er es getan hatte.
„Kennt man irgendjemanden jemals wirklich?“ Joshua war nicht klar gewesen, wie sehr er auf einmal davon überzeugt war. Wie hatte er jemals einem Wolf vertrauen können? Während er noch darüber nachdachte, sah er sein Spiegelbild plötzlich doppelt und stellte fest, dass sie den Eingang erreicht hatten.
„Bist du sicher, dass du da hinein willst?“, fragte Grau.
„Nein. Aber ich glaube, wir haben keine Wahl. Oder?“
Als der Wolf ihn
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