Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
gedacht hatte, Hunderte, vielleicht Tausende – ihre dunklen Körper wurden nur teilweise vom Licht erleuchtet. Und dann verschwanden sie plötzlich. Das Geräusch ihrer Füße auf dem Boden schwoll einige Momente lang an und verlor sich dann in den Schatten der Höhle. Und nur wenige Sekunden später konnte Joshua keine einzige Spinne mehr entdecken. Sie waren weg. Die Stille, die zurückkehrte, ließ sie allein, mit nichts als dem Bild von Wind in dem Netz, dreihundert Meter vor ihnen.
Es war zu viel für Krieg. „Ich muss zu ihr!“ Er machte einen Satz nach vorne. Joshua verlor den Halt, flatterte von seinem Rücken und landete neben dem Wolf auf dem Boden.
„Nein!“ Grau jaulte auf, sein Echo hallte durch die gewaltige Höhle. „Er wird alles, was er weiß, gegen dich verwenden!“
Aber es war zu spät. Krieg hatte bereits die Hälfte des Weges hinter sich und er war schnell. Seine Flügel waren halb ausgebreitet, als ob er kurz davor wäre, abzuheben. Der Wolf wollte Joshua nicht zurücklassen, also trabte er langsam hinterher, während Joshua rannte und flog. Dann sahen sie, wie das Pferd das Netz erreichte. Joshua konnte Kriegs Schmerzenslaute hören, als er darunter stand und zu Wind hinaufstarrte. Er stieg auf seine Hinterbeine, aber er konnte sie nicht erreichen. Joshua konnte Kriegs äußerste Verzweiflung spüren, aber das bereitete ihn nicht darauf vor, was er fühlte, als er tatsächlich neben dem Pferd stand und hinaufsah.
Der Pegasus hing ungefähr dreißig Meter über ihnen in einem Netz, das mindestens hundert Meter breit und ebenso hoch war. Winds Flügel und Teile ihres Körpers waren in ein Gespinst eingewickelt, das in das Netz eingewoben war. Die roten, entzündeten Wunden bildeten einen starken Kontrast zu ihrem elfenbeinfarbenen Fell. Sie zeigte kein Lebenszeichen.
„Wir müssen sie da runterholen!“ Kriegs Gedanken waren außer sich vor Sorge.
„Das können wir nicht, Krieg“, antwortete Joshua, so ruhig wie möglich.
„Wir müssen sie runterholen! Sie kann nicht da oben bleiben! Wir müssen etwas tun!“
„Wir können jetzt nichts für sie tun“, fügte Grau hinzu, ebenfalls so ruhig er konnte. „Keiner von uns kann das Netz erreichen. Joshua könnte hinauffliegen, aber dann würde er sich darin verheddern und beide wären gefangen.“
„Nein. Ich kann das nicht akzeptieren“, gab das Pferd zurück. „Es muss etwas geben, das wir tun können, um ihr zu helfen–“
„Und das gibt es auch...“
Der Geier kam lautlos herab und landete hinter ihnen. Der Wolf drehte sich zuerst um. Joshua konnte die Trostlosigkeit spüren, die Grau in dem Augenblick fühlte, in dem seine Augen die des Geiers trafen.
„Der große graue Wolf vom Eiswald. Welch mächtigen Freund der Hahn für seine Suche gewählt hat. Und wie viel größer seine Niederlage sein wird, wenn er erst einmal das volle Ausmaß deiner Schwäche erkennt.“ Die Gedanken des Geiers drangen unnachgiebig in Graus Seele ein. „Ich habe deine Gefährtin gefunden, Wolf. Jedenfalls das, was von ihr übrig geblieben ist, nachdem der Jäger mit ihr fertig war. Ich habe ihr befohlen, von den Toten aufzuerstehen und sie konnte sich meinem Wunsch nicht widersetzen. In diesem Moment streift sie durch das Eis und sucht ihren Gefährten, der sie für den Hahn aufgegeben hat. Du hingegen, du wirst alleine sterben, Wolf. Und es gibt keinen Ort, an dem du sie wiedersehen wirst. Du wirst einzig und allein zu dem Zweck sterben, um mein Heer zu nähren, ihnen durch deinen Tod Leben zu schenken. Das Einzige, was du erreicht hast, ist, mir den Hahn zu bringen. Das wird dein Ende sein. Mir ewiges Leben zu verleihen, im Austausch gegen das des Hahns. Und mit deinem Untergang die Toten zu nähren.“
Der Wolf knurrte und winselte zur gleichen Zeit. Der Klang hallte durch die Höhle. Joshua war überzeugt, dass Grau jeden Moment auf den Geier losspringen würde. Doch hinter ihm traten nun zwei Hyänen aus den Schatten ins Licht. Sie waren größer als die anderen, beinahe doppelt so groß wie der Wolf. Ihre toten Augen sprachen von Blut und von Fleisch, das von Knochen hing und von einem entsetzlichen Tod.
„Und du, Krieg.“ Der Blick des Geiers wandte sich dem Pferd zu, eine schwarze Flüssigkeit rann aus dem halb verwesten Schnabel. „Ich werde dir eine Schlacht bescheren, wie du sie dir nicht in deinen wildesten Träumen ausmalen kannst. Eine Schlacht, die in deinem Herzen ausgetragen werden wird. Denn du wirst mir dabei
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