Die drei Frauen von Westport
doch nicht echt«, erklärte Leanne. »Es sieht nur so aus. Das ist Papas Beruf – was vorspielen.«
Henry schluchzte herzzerreißend.
Betty sagte: »Holt ihm doch einen Keks. Gebt dem Kind einen Keks.« Bei den Mädchen hatte das zwar nie funktioniert, als sie klein waren, aber man konnte ja nie wissen.Waren überhaupt Kekse im Haus?
Leanne und Miranda nahmen Henry mit in die Küche und setzten ihn auf die Arbeitsfläche.
»Tut mir echt leid, Leanne. Meine Mutter hätte sich das nicht anschauen sollen, solange du hier bist.«
Leanne öffnete Küchenschränke. »Wo bewahrt ihr die Kekse auf? Mach dir keine Gedanken, Randa. Nicht wahr, Henry? Mami und Randa sind ja da. Und Papa geht es gut. Beruhig dich, Schatz«, sagte sie und küsste Henry auf die Stirn.
»Weiß nicht, wie ruhigen geht«, schluchzte er.
Miranda öffnete einen weiteren Schrank und starrte aufVollkornnudeln, Cracker, eine Dose Kichererbsen und ein Glas Mandelmus. »Wie wär’s mit so ’ner Art Erdnussbutter auf einem Cracker?« Henry nickte stumm. »Gut«, sagte Leanne. »Und wein doch nicht wegen Papa. Er wird bestimmt bald aus dem Fernsehen kommen und dich besuchen, oder?« Sie sah Leanne an. »Oder?«
Leanne zuckte die Achseln.
»Gut«, sagte Miranda. »Das macht er bestimmt. Wir können ihn doch mal anrufen.Weißt du, du kannst mit ihm telefonieren und ihn dabei auf dem Bildschirm sehen.«
Henry knabberte seinen Cracker, während er darüber nachdachte.
»Okay«, sagte er schließlich.
Leanne sah erleichtert aus. »Danke«, sagte sie zu Miranda. »Es ist manchmal ziemlich schwierig, mit Kit in Kalifornien.«
»Ich versteh schon. Das ist alles so schmerzhaft und unangenehm.«
Leanne nickte. »Kann man so sagen.« Sie streichelte Henrys Kopf.
Miranda blickte auf Leannes Hand, die sich so mühelos an diesen kleinen Kopf schmiegte. Sie spürte plötzlich einen verwirrenden Anflug von Eifersucht und wandte den Blick ab.
»Schmerzhaftes Thema«, sagte Leanne leise.
Miranda holte tief Luft und atmete langsam aus. Es würde bald regnen. Sie schaute auf den kittgrauen Himmel. Dann sprach sie aus, was sie schon lange hatte sagen wollen, eine einfache Empfindung, ein Bekenntnis zu Freundschaft undVerbundenheit, aber bislang war es ihr zu anmaßend erschienen. »Es tut mir leid, dass er dich unglücklich gemacht hat.«
Ein unbehagliches Schweigen entstand. Dann sagte Leanne: » Mich ?«
»Na ja, mich auch. Und ich weiß, wie absurd sich das anhört, weil es von mir kommt, aber ich meine, wenn man verlassen wird … Schau dir meine arme Mutter an. Sie fühlt sich so verraten. Und ist so verletzt …«
Leanne starrte sie an. »Kit hat mich nicht verlassen«, sagte sie.
»Mehr?«, sagte Henry und deutete auf die Cracker.
Miranda bestrich einen Cracker mit Mandelmus und verspeiste ihn geistesabwesend selbst.
»Mehr bitte ?«, sagte Henry.
» Ich habe Kit rausgeworfen.«
Miranda hob Henry herunter. »Fragst du Betty mal, ob sie auch einen Cracker will, ja?«
Sie lutschte Mandelmus von ihren Fingern, als Henry davonflitzte.
Dann sagte sie: »Ah.«
Von draußen war das heisere Muhen einer Kuh zu vernehmen, das sich wie ein unpassendes Echo anhörte.
Aus demWasserhahn fielen schwere, dumpf klingendeTropfen ins Becken.
»Und wegen Maine«, sagte Leanne nach einerWeile.
»Hör zu, es tut mir wirklich aufrichtig leid, dass ich das zur Sprache gebracht habe. Das war ganz ungeschickt von mir. Ich meine, auch wenn du ihn verlassen hast«, fügte Miranda hinzu. Sie stand auf und drehte beideWasserhähne fest zu, aber dasTropfen hörte nicht auf. »Das ist ein schwieriges Thema.Vor allem für uns beide.«
Leanne gab ein gequältes Lachen von sich und wandte sich ab.
»Ich weiß, unsere Freundschaft ist eigentlich sehr unwahrscheinlich.« Miranda empfand beinahe so etwas wie ein Hochgefühl, als sie einfach so ihre Freundschaft erklärte. »Schon seltsam, dass wir uns durch Kit gefunden haben …«
»Wir haben uns durch Henry gefunden«, hörte sie Leanne sagen.
Miranda hatte eigentlich noch nie mit jemandem über Kit gesprochen, und nun hatte sie den Impuls ausgerechnet bei der Person, die sich am wenigsten dafür eignete. »Ich glaube, es war mir einfach wichtig, dass du meine Geschichte mit Kit verstehst.Weil du die Einzige bist, die das kann.« Miranda hörte sich selbst reden, ein unbeholfenerWortschwall quoll aus ihr heraus, doch sie konnte sich nicht bremsen. »Diese ganzen Geschichten aus Maine haben mir so viel bedeutet, ich
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