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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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fand es so schön, mit jemandem zusammen zu sein, der so eine idyllische Kindheit hatte, vor allem nachdem ich immer die furchtbaren Geschichten der ›Schrecklichen Schriftsteller‹ gehört habe, die sich dann auch noch alle als erfunden erwiesen haben; es war so tröstlich und anregend, mit einem normalen Menschen zu reden, der nichts zu verbergen hat, dessen Kindheit für ihn selber und für andere so real war …«
    Während Miranda sprach, beugte Leanne sich in fast bedrohlicher Pose über den Tisch. Sie versuchte mehrmals, Miranda zu unterbrechen, doch die konnte nicht aufhören zu reden. Sie kam sich vor wie ein lahmes R ennpferd, das an gebrochenem Herzen sterben wird, wenn es nicht das Ziel erreicht. Es war ihr plötzlich ungemein wichtig, sich verständlich zu machen. »Mein gesamter beruflicher Erfolg beruhte auf reißerischen, schmalzigenTragödien. Die sich dann auch noch als erlogene reißerische, schmalzigeTragödien erwiesen haben. Stell dir mal vor, wie sich das anfühlt. Beschissen, kann ich nur sagen. Und nun stell dir vor, wie wohltuend es war, mit jemandem zu reden, der in einer liebevollen, lustigen Familie aufgewachsen ist, umgeben von Vögeln und blühenden Wiesen und …«
    »Großer Gott!«, sagte Leanne. »Hör sofort auf! Das ist nicht zum Aushalten. Liebevoll und lustig und Vögel und Wiesen? Ich krieg das Kotzen. Herr im Himmel …«
    Miranda verstummte tatsächlich. Doch dann sagte sie sehr ernst: »Schau, was immer Kit mir oder dir angetan haben mag: Ich finde es absurd, dass wir nie über ihn reden. Ich war diesbezüglich noch schlimmer als du, ich weiß wohl. Aber ich habe das eben bisher falsch gemacht, okay? Wir sollten offen und ehrlich über Kit reden können.«
    »Offen und ehrlich? Über Kit? Ist das dein Ernst? Okay. Dann legen wir mal los. Also, mal als Erstes: Kit ist nicht in Maine aufgewachsen«, sagte Leanne. »Soweit alles klar? Er hat Maine noch nicht mal aus der Nähe zu Gesicht gekriegt. Er hatte auch keine Geschwister, sondern er war ein Einzelkind. Und seinVater? Hat die Mutter verlassen, als Kit zwei Jahre alt war, und hat sich nie wieder blicken lassen. Die Mutter? EineTrinkerin, der kaum bewusst war, dass es ihn gab …«
    Miranda sank auf einen Küchenstuhl. »Großer Gott. Ist das wahr?«
    »Das ist alles Show, Miranda. Kit macht den Leuten etwas vor«, sagte Leanne. »Daraus besteht sein Leben.«
    Nun konnte Leanne sich nicht mehr bremsen und platzte mit allem heraus: wie Kit ihren Namen angenommen hatte, »weil er ein Snob ist, verstehst du?Weil sich der Name nachWest Coast Upperclass anhört«; wie er sich in Kleidung und Sprache dieser Schicht anpasste; wie er kostspielige Kleidung, Autos, Boote anschaffte, die sie sich gar nicht leisten konnten, nur um seine Freunde zu beeindrucken; seine Grandiosität und sein Egoismus und die Lügen – die Lügen waren allgegenwärtig. »Du hast ihn als jungenhaft empfunden. Das verstehe ich schon. Aber das sieht man mit anderen Augen, wenn der Junge von Kreditkarten lebt, deren R echnungen er nicht mehr begleichen kann; wenn der Junge fünfunddreißig Jahre alt ist und noch nie gearbeitet hat …«
    »Er ist fünfunddreißig? Er hat behauptet, er sei dreißig.«
    »Zu alt für dich?« Leanne warf Miranda einen scharfen Blick zu. Dann wurde ihre Miene sanfter und mitfühlend. »Arme Miranda.«
    Vielleicht lag es an Leannes sanfter Stimme, vielleicht war dies aber auch derTropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, das endgültige Beispiel dafür, dass Miranda außer Stande war, die R ealität zu begreifen – jedenfalls kamen nun dieTränen, die Pleite-Tränen, die Kit-Tränen, dieTränen des Selbstmitleids, der Scham über die eigene Dummheit, der bedrückenden, belastenden Erschöpfung; seitWochen und Monaten angestaut, brachen sie nun heraus. »Ich kannWahrheit und Fiktion echt nicht unterscheiden, was? KeinWunder, dass ich pleite bin. Ich bin so eine dämliche Kuh. So eine Idiotin … völlig erbärmlich …«
    Oh, nun gab es kein Halten mehr für das Selbstmitleid.Wenn ihre Stimme schrill wurde – so fing es immer an –, das war die Aufwärmphase. Bald würde der Anfall olympische Dimensionen annehmen –Verzweiflungsschreie, dramatisches Armgefuchtel. Leanne hatte sie noch nie in voller Fahrt erlebt.
    Leanne stand auf und trat zu Miranda. »Du hast eben was übrig für Happy Ends, Miranda. Das ist doch nicht verkehrt.«
    »Es gibt sie bloß nicht in der Wirklichkeit«, sagte Miranda mit erstickter

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