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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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Gärtnerin angestellt.«
    »Das glaube ich eher nicht. Sie grub das Unkraut sehr behutsam aus und legte es in einen Korb. Sie will es wieder einpflanzen. ImWald.«
    »Miranda hatte schon immer eine Schwäche dafür, etwas zu retten.« Annie seufzte.
    »Genau wie Sie«, erwiderte R oberts.
    Sie verfielen in Schweigen. Der Wind trieb silbrigeWolken vor dem Mond vorbei.
    Er ist so ein höflicher Mann, dachte Annie.
    R oberts schwenkte denWein in seinem Glas herum. »Miranda hat Glück, dass Sie ihre Schwester sind.«
    »Oh, was soll nur aus ihr werden?«, sagte Annie, halb zu sich selbst.
    »Und was soll aus Charlotte werden?«
    Erst als Annie später im Mondlicht nach Hause ging, fragte sie sich, was R oberts damit gemeint hatte. Vielleicht war an dem ganzen Gerede über dieVersteigerung der Ahnenporträts doch etwas dran.
    » R oberts ist so oft bei Charlotte«, sagte Miranda, als Annie ihr von dem Gespräch berichtete. »Keine Ahnung, was sie alles zu besprechen haben.«
    »Hier ist er aber auch häufig«, wandte Betty ein.
    »Er geht bestimmt dorthin, um dich zu sehen«, sagte Annie zu Miranda.
    »Vielleicht ist Henry sein uneheliches Kind«, mutmaßte Betty.
    An einem sonnigen Frühlingsnachmittag stand Betty in der Küche und beobachtete einen kleinen schwarzgelbenVogel, der zwischen den jungen Blättern eines Ahornbaums umherflatterte. Vögel waren frei, das wusste man.Weil sie fliegen konnten. Sie erinnerte sich, wie R osalyn Amber und Crystal mit Vögeln verglichen hatte, weil sie von Nest zu Nest flogen. Aber was bedeutete das schon, außer dass sie kein Zuhause hatten? Sie waren frei wie einVogel. Doch wie frei war man, wenn man Jahr für Jahr dieselbe Küste desselben Kontinents entlangfliegen musste, wie schon dieVorfahren es getan hatten und wie die eigenen Nachkommen es auch wieder tun würden? Dieser farbenfrohe kleineVogel – ein Goldzeisig? – war ganz und gar nicht frei. Sondern auch ein Gefangener, und noch dazu heimatlos.
    Betty lachte in sich hinein.Was für triste Gedanken sie jetzt immer hatte. Ein schönerVogel an einem schönenTag! Sie sollte draußen in der frischen Luft sein und sich an denWundern der Natur freuen, anstatt einen unschuldigenVogel in die Diaspora zu verbannen. Betty zog Sneakers und Jacke an, setzte Sonnenbrille und einen breitkrempigen Sonnenhut auf und marschierte los.
    Die Wellen waren gleichförmig und gemäßigt, und die sanfte Gischt zischte leise. Sie entdeckte ein schönes grünes Glasstück, vom Meer weich gewaschen, war aber zu steif, um sich zu bücken und es aufzuheben. In der Ferne sah sie das weiße Segel eines kleinen Boots. Vielleicht war das Miranda, die dort draußen mit Henry und seiner Mutter in diesem ulkigen kleinen Boot von Charlotte Maybank unterwegs war. Betty hatte ihr gesagt, sie solle unter ihre Jacke noch einen Pulli anziehen. Es war so windig, und die Sonne täuschte, die Luft war noch immer kühl. Vor einigen Jahren hätte Betty nicht an Pullover gedacht, nur an das vergnügte Knattern des Segels. Und sie wäre selbst auf dem Boot gewesen. Doch diese Zeiten waren vorbei. Vielleicht sollte sie in die Stadt fahren und bei Starbucks eine Tasse Kaffee trinken. Annie würde das nicht gutheißen. Annie fand, dass Betty den Kaffee zuhause kochen und dann in einer Thermosflasche mitnehmen sollte, aber das machte einfach keinen Spaß. Bald würden die Buden am Strand wieder aufmachen, und dann konnte man dort Kaffee kaufen. Im Sommer würden die Kinder am Strand sein, gefolgt von ihren mit Sandspielsachen und Klappstühlen beladenen, am Handy hängenden Müttern. Doch jetzt war weit und breit nur ein Mann mit einem Irish Setter zu sehen. Das Fell des Hundes glänzte in der Sonne. Vielleicht sollte sie ihre Haare in diesem Ton färben lassen. Sie könnte den Mann um eine Strähne des Fells bitten und die dann zu ihrer Friseurin bringen.
    Langsam spazierte Betty zum Haus zurück. Mithilfe ihrer Töchter war es zu einem Zuhause für sie geworden. Sie hatte immer ein Zuhause für ihre Töchter geschaffen, und ihre Töchter hatten dasselbe für sie getan. Aber sie konnten nicht für immer mit ihr zusammenleben. Die beiden waren erwachsene Frauen, ebenso wie Betty selbst. Sie fragte sich, wann und ob sie in ihreWohnung zurückkehren würde. Eine einsame Frau. So heimatlos wie einVogel.
    Betty war plötzlich furchtbar müde, und ihr Kopf tat weh. Ihr Hals war so steif, und in ihrem Kopf spürte sie ein dumpfes Pochen. Sie sah das Cottage und fragte sich, ob

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