Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
Vom Netzwerk:
vermehrten sich wie Fruchtfliegen in einem Glas, und schließlich ging Lou dazu über, sie nur noch in einer Art Schichtwechsel einzuladen, einen Schwarm nach dem nächsten.
    Betty gehörte zu der hochgeschätzten Gruppe, die zum Labor Day geladen wurde. Als Lou in diesem Jahr anrief und Betty, Joe und die Mädchen zur üblichen Labor-Day-Party inWestport einlud, sagte Betty zu ihm: »Ach, wie schade. Joseph wäre bestimmt gern gekommen, aber er lässt sich gerade von mir scheiden. Na, vielleicht nächstes Jahr«, und legte auf.
    Dieses skurrile und absonderliche Benehmen, das ihrer ansonsten fröhlichen und umgänglichen Mutter so gar nicht ähnlich sah, besorgte Annie und Miranda nicht nur zutiefst und brachte sie gegen Josie auf, sondern – wenn sie ehrlich waren – auch gegen Betty selbst.
    »Sie spinnt«, sagte Annie, als Lou anrief, um sich nach den Hintergründen von BettysVerhalten zu erkundigen. »Er hat sie in denWahnsinn getrieben. Man kann ihr nichts mehr sagen, weil sie gar nicht mehr zuhört. Sie schaut sich nur noch den ganzenTag alte Schwarz-Weiß-Filme an und zitiert daraus. Sie ist wie gelähmt, sie hat kein Geld mehr, sie sitzt den ganzenTag neben demTelefon und wartet darauf, dass er anruft. Sie nimmt schon beim ersten Klingelton ab, hast du’s gemerkt? Und vermutlich war sie auch noch betrunken. Meine Mutter! Betrunken!War sie betrunken? Gott, ich hoffe nicht. Oder doch?«
    »Na ja, warte mal –«
    »– und ich musste sie noch dazu zwingen, sich einen Anwalt zu nehmen! Sie wollte nicht mal einen Anwalt, weil sie die R echnungen nicht bezahlen kann. Der Mistkerl hat ihr den Hahn abgedreht und behauptet, er könne das erst wieder ändern, wenn dieWohnung geräumt sei und …«
    Inzwischen hatte Cousin Lou die Lage erfasst und kam zu dem Schluss, dass Betty sich gewissermaßen in der Lage eines Flüchtlings befand, und Flüchtlingen konnte er nicht widerstehen. Binnen weniger Minuten hatte er Betty angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie zeitlich unbegrenzt in einem Cottage in Compo Beach wohnen könne, das ihm gehörte.
    Betty wusste, dass dieses Cottage heutzutage sehr viel wert war. Es lag an einer kleinen Straße zwischen anderen kleinen Strandhäuschen. Die Häuser – mit schmalenVorgärten und ohne Garage – standen dicht an dicht und waren zu der Zeit, als dasVorstadthaus mitVorzeigerasen in Mode kam und sie mit Joseph eineWeile inWestport gelebt hatte, nicht sehr beliebt gewesen. Damals wohnten dort Lehrer, geschiedene Mütter und mittellose Witwen. Solche wie ich, dachte Betty. In den Achtzigern allerdings schlug die Stimmung um, die Häuschen wurden verkauft und aufwändig renoviert und waren nun hübsch sanierte Feriendomizile – »McCottages«, wie Annie sie nannte. Lediglich Lous Haus war noch unverändert aus alter Zeit übrig geblieben, denn er hatte es seit vielen Jahren an eine Frau und ihren Sohn vermietet – »Sie gehören zur Familie!« Doch inzwischen war der erwachsene Sohn längst weggezogen und die alte Frau verstorben.
    »Willst du es sanieren?«, fragte Betty, da sie wusste, dass Cousin Lou damit »abreißen« meinte.
    »Kann ich später noch machen«, antwortete er. »Wenn du darin wohnst, ist das doch erst einmal Sanierung genug.«
    Betty versuchte, sich an das Haus zu erinnern. Ein kleiner Junge schaukelte dort im Garten, zwischen zwei blühenden Apfelbäumen. Oder hatte sie das in einem Film gesehen? Aber das spielte ja keine R olle. Es war jedenfalls äußerst charmant; musste es auch sein, es war schließlich ein Cottage.Was für ein bezauberndesWort. Betty stellte sichTapeten mit R osenmuster vor. Sie würde lange, einsame Spaziergänge am Meer machen. Zwar handelte es sich streng genommen nur um den Long Island Sound, nicht um das Meer, aber windige, graueTage konnte man dort auch haben. Betty blickte aus dem Fenster auf die vertraute nächtliche Stadt. Der Park war eine dunkle Fläche, hie und da unterbrochen durch gelbe Lichtteiche von Straßenlaternen. Die R ücklichter einesTaxis glommen rot in der Dunkelheit auf und verschwanden. Erwartete Joseph wirklich, dass sie ihr Leben verließ, so wie er sie verließ? Tja, dann.Was hatte sie schon noch zu verlieren? Es war ja alles schon verloren.
    »Du bist sehr großzügig«, sagte sie, woraufhin sie ein heftiges Unbehagen überkam, denn sie hörte ein Echo von Josephs Stimme – Ich werde sehr großzügig sein … sehr großzügig. »Danke, Cousin Lou.Was täte ich nur ohne dich?«
    »Ha!«, schrie

Weitere Kostenlose Bücher