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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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ihr seid seit fünfundsiebzig Jahren verheiratet, warum jetzt? Und sie sagen: Wir wollten warten, bis die Kinder tot sind.« Diese Bemerkung hatte Mirandas aktueller Lover eine Woche vor dem Oprah-Debakel gemacht.
    »Ich bin aber nicht tot«, hatte Miranda erwidert und denTageshändler missbilligend angeblickt, wobei ihr etwas auffiel, das sie gewusst, aber bislang nicht beachtet hatte: InWahrheit war er ein emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften, der jetzt seineTage vor dem Computer zubrachte und dabei Geld verlor. »Ich bin nicht tot«, wiederholte sie. Und weshalb sollten eigentlich ihr Alter und die lange Ehe ihrer Eltern es ihr leichter machen, die Scheidung zu akzeptieren? Ihr Alter machte es nur noch schlimmer. Ihr fünfzigster Geburtstag nahte, für jede Frau ein traumatisches Ereignis. Joseph und ihre Mutter waren ein Paar gewesen, solange Miranda denken konnte. Eine Ewigkeit also. Und Joseph war ihrVater, sie hatte ihn immer als ihrenVater betrachtet – einen anderen kannte sie nicht.
    Manchmal weinte sie nachts und sehnte sich danach, ihre Mutter in der Nähe zu haben: um sie zu trösten und selbst getröstet zu werden.
    An dem Abend, an dem der Tageshändler ihr diesen Witz erzählt hatte, konnte Miranda nicht einschlafen und wälzte sich hin und her. Als sie schließlich doch eindöste, wurde sie von dem Tageshändler gepiekt, der sie aufforderte, mit dem Schnarchen aufzuhören. Sein unfreundlicher Tonfall gefiel Miranda nicht, weshalb sie ihn anraunzte: »Und weshalb hörst du nicht auf, ein Arschloch zu sein?« Am nächsten Morgen zog er aufgebracht von dannen und kehrte nie mehr zurück, und Miranda weinte, wanderte den R est des Tages durch ihre Wohnung, nahm dann ein Beruhigungsmittel und ging ins Bett.
    Sie begann sich als Spross einer kaputten Ehe zu betrachten.
    »Sei nicht albern«, sagte Annie dazu. »DeinVerfallsdatum ist abgelaufen, Miranda.«
    Trennung ist etwas Gutes, erklärte Felicity Joseph. Er hatte sie zwar gehört, reagierte aber nicht auf ihre Bemerkung, sondern winkte den Kellner herbei. Diese Scheidung machte ihn mürbe.Wenn alle sachlich wären und sich vernünftig benehmen würden, könnte man ja alles klären. Allerdings sah er Betty immer in derWohnung vor sich, wenn er an seine Frau dachte. Da gehörte sie in seinerVorstellung hin. Betty war für ihn ganz plötzlichTeil seinerVergangenheit, ebenso wie dieWohnung seinen Erinnerungen an ein anderes Leben angehörte, ein Leben, das er nun hinter sich ließ. Deshalb war dieTrennung in derTat etwas Gutes, gewiss. Aber nun sah es so aus, als müsse er sich nicht nur von Betty trennen, sondern als müsse er überdies Betty von ihrerWohnung trennen.
    »Wie geht es deinen Stieftöchtern?«, erkundigte sich Felicity, nachdem sie bestellt hatten.
    Joseph nannte die Mädchen niemals Stieftöchter. Sie waren seine Töchter. Offenbar zeichnete sich sein Missfallen über diesen Ausdruck auf seinem Gesicht ab, denn Felicitys große Augen wurden noch etwas größer, und ihre Lippen öffneten sich. Rasch sagte sie: »Ich habe sie lange nicht im Büro gesehen. Sie fehlen mir.«
    »Mir auch.«
    »Die arme Miranda.Was für ein furchtbarer Skandal!«
    »Geballtes Pech.«
    »KeinWunder, dass sie sich nicht mehr blicken lässt. Die arme Frau traut sich wahrscheinlich nicht mehr aus dem Haus.«
    Joseph hatte einen Moment lang Mühe, dasWort »Frau« mit Miranda inVerbindung zu bringen. Sie war ein Mädchen und würde es immer bleiben.Wenn sie jetzt eine Frau sein sollte, was wäre er denn dann?
    »Die Zeit vergeht wie im Fluge«, bemerkte er und goss sichWein nach. »Ich habe den beiden Gutenachtgeschichten vorgelesen. Und jetzt sind sie Frauen mit Skandalen am Hals.«
    »Na ja, Annie nicht. Bei der sind Skandale sehr unwahrscheinlich.«
    Felicity sah die Lage richtig: Miranda wagte es tatsächlich nicht mehr, das Haus zu verlassen. Früher hatte sie immer so wenig Zeit wie möglich in ihrerWohnung verbracht, einem überteuerten, spärlich eingerichteten, gemieteten Loft. Stattdessen hatte sie sich in der Agentur oder beiVerabredungen in R estaurants aufgehalten oder war einfach ausgegangen. Jetzt bestellte sie sich ihr Essen bei jedem R estaurant inTribeca, das Lieferservice anbot, öffnete die Tür im Nachthemd, zahlte mit Kreditkarte und schlurfte ins Bett zurück. Ihre Pantoffeln machten ein trostloses klatschendes Geräusch auf dem teuren Parkett. Draußen vor den großen Fenstern nahm dieWelt ihren Lauf, uninteressant und

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