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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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Sessel Platz. Hellwang schielte heimlich nach ihrem Gesicht. War sie gekränkt, hatte sein schroffer Ton sie beleidigt? Nein, scheinbar nicht, ihre Gedanken hatten die Muse der i Dichtkunst verlassen und waren ganz gegenwärtig. Ihre grauen Augen hingen in beflissener Dienstbereitschaft an einem imaginären Punkt, der drei Finger breit von seinem linken Ohr entfernt in der Luft schwebte.
    »Ruhe also«, wiederholte er in einem weit liebenswürdigeren
    Tonfall, »das ist alles, was ich brauche, um meiner Arbeit nachgehen zu können. Daß diese Arbeit Konzentration erfordert, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen. — Verstehen Sie mich recht, mich stört nicht so sehr das gelegentliche Lärmen der Kinder oder ein Geräusch im Hause, diese Dinge bemerke ich kaum. Wovon ich aber unbedingt verschont zu werden wünsche, das ist der tägliche Kleinkram, das sind Rechnungen, Steuertermine, fällige Versicherungspolicen — und die berühmte Frage, was morgen gekocht werden soll. Auch will ich nicht wissen, daß die Kinder neue Schuhe und neue Leibwäsche brauchen und daß der Wasserhahn in der Küche oder im Bad tropft...« Er schloß seine Rede mit einer wellenförmigen Handbewegung, die die Aufzählung solcher Dinge bis ins Unendliche fortsetzte und zerbrochenes Geschirr, den Ölvorrat im Kellertank und die Anschaffung des Kartoffelbedarfs für den Winter einschloß.
    »Ich verstehe!« sagte Fräulein Zögling kurz und bündig. Hellwang atmete heimlich auf. Man konnte mit ihr also vernünftig reden. Die >Muse der Dichtkunst hatte ihm einen kleinen Schock versetzt, der nun langsam abklang. Sie einigten sich über die Höhe des Haushaltsgeldes, setzten eine monatliche Abrechnung fest und kamen dann auf die Kinder zu sprechen.
    »Britta und Wolfgang, unser >Söhnchen<, sind leicht zu lenken«, begann er und unterdrückte das Gelüst, sich eine Zigarre zu holen. »Vielleicht, daß Britta hin und wieder einen kleinen Ermunterungsstoß braucht, um etwas lebendiger zu werden und aus ihren Träumen zu erwachen. Wenn Sie vor ihr einmal Ruhe haben wollen, dann geben Sie ihr ein Blatt Papier und den Tuschkasten oder Buntstifte. Dann versinkt die Welt für sie. — Schwierigkeiten werden Sie mit der Erziehung von Lydia haben. Lassen Sie sich von ihrem frommen und betörenden Augenaufschlag nicht täuschen, sie ist eine große Schauspielerin...«
    Er zögerte ein wenig, aber dann hielt er es doch für richtig und angebracht, auf die Eigenheiten des kleinen schwarzen Schafes in der Familie näher einzugehen: »Ja, offen gesagt, hat ihre Erziehung uns schon große Sorgen bereitet, solch große Sorgen, daß wir schon manchmal den Plan erwogen haben, Lydia für einige Zeit in ein Landschulheim zu geben. Jedenfalls haben wir ihr oft genug damit gedroht — und die Drohung hat ihre Wirkung zumeist auch nicht verfehlt, wenigstens für einige Zeit nicht verfehlt...«
    »Was Sie nicht sagen...?!« murmelte Fräulein Zögling und machte runde, ein wenig bestürzte Augen.
    »Ja«, nickte er bekümmert, »sie nimmt es leider mit der Wahrheit nicht genau — oder, um es rundheraus und ganz deutlich zu sagen, sie lügt das Blaue vom Himmel herunter. Und dann...«, zum erstenmal hatte er das Gefühl, Fräulein Zögling blickte ihn voll an, als frage sie ihn, was sie dann noch zu erwarten habe...»und dann ist sie auch sehr naschhaft.«
    »Nun«, meinte Fräulein Zögling erleichtert, die Gott weiß was erwartet zu haben schien, »dagegen gibt es ein sehr einfaches Mittel — ihr die Süßigkeiten zu entziehen und kein Geld in die Hand zu geben.«
    Hellwang rieb sich das Kinn. — »Gewiß«, murmelte er und be- f feuchtete sich die Lippen, als setze er zu einem sehr schweren Geständnis eigener Laster und Verfehlungen an, »gewiß, aber noch sicherer wäre es, wenn Sie nie im Hause Geld offen liegen ließen I und auch Ihre Börse stets unter Verschluß hielten... «
    »Oh!!« rief Fräulein Zögling erblassend.
    »Ja«, sagte er mit einem resignierten Achselzucken und mit einem Ausdruck, als beuge er sich vor einer höheren Gewalt, »so I ist das nun einmal, und ich fühle mich verpflichtet, Sie darauf aufmerksam zu machen, damit Sie nicht an Geisterspuk glauben, wenn hier im Hause alle Zehnerl spurlos verschwinden.«
    Fräulein Zögling atmete tief durch: »Ich bin Ihnen sehr dank- I bar, Herr Doktor — diese Aufklärung kann mir meine Aufgabe in Ihrem Hause nur erleichtern.«
    »Im allgemeinen werden Sie mit gutem Zureden bei Lydia am meisten
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