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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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ausrichten. Sie hat bei allen ihren Fehlern ein weiches Herz mit einem sehr niedrigen Schmelzpunkt. Wissen Sie, ich ‘ habe oft schon gemeint, daß es ihr nicht einmal so sehr ums Î Schwindeln oder um die Nascherei geht als vielmehr um die Szene, die darauf folgt, wenn man sie erwischt. Und sie legt es fast; darauf an, sich erwischen zu lassen. Als ganz kleiner Dreikäse- hoch fragte sie mich einmal bei solch einer Gelegenheit: Na, wes- halb brüllst du mich nicht an? — Wahrscheinlich verläuft ihr das Leben in diesem Hause so still, daß es sie zuweilen nach dramatischen Schürzungen verlangt, selbst auf Kosten einer kleinen Tracht auf den Allerwertesten. — Ich wollte Ihnen das nur sagen, I damit Sie Lydia, falls es erforderlich werden sollte, gelassen und ohne sichtbare Spuren eigener Erregung strafen. Wir haben diese Methode erprobt und damit die besten Ergebnisse erzielt.«
    »Ein merkwürdiges Kind...«, meinte Fräulein Zögling kopfschüttelnd; in ihrem Tonfall klang die etwas ängstliche Frage durch, ob hier nicht unheilvolle Erbanlagen, auf Trunksucht oder anderen Lastern eines Vorfahren beruhend, über Generationen hinweg Schuld an Lydias Charakter trügen. Hellwang rieb sich verlegen die Hände, aber er hielt es für verfrüht, Fräulein Zögling in die Geheimnisse der Familiengeschichte einzuführen. Wahrscheinlich war kein Ahn des Grafen Idell-Idell hingerichtet worden, und außerdem schien Fräulein Zögling eine zarte Natur zu besitzen, der solch blutrünstige Geschichten ein Greuel waren.
    Es wäre nun eigentlich an der Zeit gewesen, die Hausdame in ihren Pflichtenkreis einzuführen und sie mit den Räumen, Vorratskammern, Schränken und Schlüsseln vertraut zu machen. Aber Hellwang ließ sich noch einmal in den Sessel zurücksinken und bat Fräulein Zögling durch einet Handbewegung, seinem Beispiel zu folgen.
    »Da ist nämlich noch ein Punkt«, begann er zögernd, »über den ich mit Ihnen sprechen möchte, Fräulein Zögling.« — Die Vorbereitung klang, als ob es sich um eine sehr dunkle und besonders behutsam zu berührende Angelegenheit handle. Fräulein Zögling neigte den Kopf ein wenig über die Schulter. Mein Gott, was mochte es nach diesen peinlichen Eröffnungen über Lydia nun noch geben? Hellwang gab sich einen raschen Ruck und legte eine heiter-beschwingte Färbung in seine Stimme, als ob die Sache nun doch nicht ganz so bedeutungsvoll sei, wie es sein anfängliches Zögern vermuten lassen konnte: »Es handelt sich nämlich um unsere wackere Kathi.« —
    Er beglückwünschte sich innerlich zu seiner Formulierung. Wackere Kathi — das hatte er gut gesagt, das klang fröhlich und leicht. »Sie ist nun seit elf Jahren in unserem Hause, die gute Seele, und immer treu und zuverlässig gewesen. Ja, ich wäre wahrhaftig in Verlegenheit, was ich ihr ins Zeugnis schreiben sollte — ganz abgesehen davon, daß man Zeugnisse ja nur dann ausstellt, wenn ein Dienstverhältnis endet. Und das wolle Gott verhüten! Wirklich, kein Superlativ wäre hoch genug, um den Grad unserer Schätzung auszudrücken.« —
    Er griff nun doch nach dem Zigarrenkasten aus Buchsbaumholz und öffnete ihn; er wedelte sich mit der Hand den Duft zu und begnügte sich damit, als käme ihm aus dem heranwehenden Aroma des Tabaks bereits die Erleuchtung für die Fortsetzung.
    »Meine Frau liebte Kathis gerade, manchmal vielleicht allzu gerade anmutende Art, hm — die Kinder hängen an ihr, hm — und deshalb haben wir auch Kathis Eigenheiten — und die hat sie, das kann man wohl sagen — stets in Kauf genommen.«
    Fräulein Zögling hörte sehr aufmerksam zu, mit einer wachen Aufmerksamkeit, die fast ein wenig verwirrend war. Hellwang spürte einen leichten Schweißausbruch in den Handflächen: »Wissen Sie — meine Frau hat Kathi immer und seit jeher, zum mindesten in den Küchenangelegenheiten, sehr große Selbständigkeit eingeräumt. — Nun, ich meine, wir wollen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und der wackeren Kathi in Anbetracht ihrer vielen guten Eigenschaften ihre Eigenheiten lassen. Sie ist der friedlichste Mensch von der Welt, wenn man mit ihr umzugehen versteht. — Vielleicht tyrannisiert sie uns alle ein wenig, aber sie meint es damit gut, und ihre Tyrannis ist ein sanftes Joch...«
    Er schloß sozusagen in der Luft, mit gehobener Stimme, ohne Komma und Punkt, und fühlte den Blick des Fräuleins aus sehr klaren Augen auf seinem linken Ohr ruhen: »Sie meinen also, Herr Doktor, daß ich mit
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