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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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flüsternd fort, »der hilft doch nix, da kannst noch so lang bitten und betteln. Soll ich dir sagen, zu wem ich beten tu?«
    »Ha...?« fragte Britta und drehte sich zur Seite, um in der Dunkelheit vielleicht doch einen Schimmer von Lydias Gesicht zu entdecken, »zu wem betest also?«
    »Zur Luisa!« wisperte Lydia hinüber, »du, ich sag’ dir, die hilft fei’ großartig! Gestern vorm Schlafengehen hab’ ich zu ihr gebetet: >Liebe Luisa, ich bitt’ dich recht schön, hilf, daß sich die Sieglinda den Lack ins Haar schmiert und daß sie vor Wut stocknarrisch wird und auf und davon geht.< — Na, was sagst jetzt? Hat die Luisa geholfen oder hat sie nicht?«
    Britta kuschelte sich in die Steppdecke: »Ja mei’, die Luisa...«, flüsterte sie schläfrig und zärtlich, »die Luisa, freilich, an die hätten wir längst denken sollen, gleich von Anfang an!« Sie seufzte tief auf und schloß die müden Augen.
    Hellwang vergrub sich in den nächsten Tagen in seinem Zimmer. Oft genug kam er nicht einmal mehr zu den Mahlzeiten herunter. Kathis Hauptbeschäftigung bestand darin, Kaffee zu kochen. Sie legte ihm stets ein paar Butterbrötchen, die sie fein mit Salz bestreute, so wie er es gern mochte, aufs Tablett. Manchmal rührte er auch die nicht an. Wenn er an den gemeinsamen Mahlzeiten teilnahm, war er schweigsam und reizbar. Die Mädel kannten diesen Zustand schon von früher her. Wenn Söhnchen ins Schwatzen kam und endlose Fragen stellte, kriegte er von Britta oder Lydia unter dem Tisch einen warnenden Tritt: »Pst, sei stad, der Konni ist doch im Endspurt!« Und Söhnchen hielt gehorsam den Mund und schlich sich aus dem Haus. Weiß Gott, was er sich unter dem >Endspurt< vorstellen mochte. Danach, wie Kathi und die Schwestern Hellwang behandelten, schien Endspurt eine Krankheit zu sein, schlimmer als Masern und Windpocken. Zwei Wochen lang hielt sie das Haus in atemloser Stille. In den letzten Augusttagen endlich setzte Hellwang das Wort FINIS unter sein Buch und schickte das dickleibige Manuskript Vollerthun zu, der postwendend den Empfang bestätigte. Damit löste sich aber die Spannung noch lange nicht, im Gegenteil, sie erklomm einen Gipfelpunkt. Denn nun folgten ein paar Tage, in denen Hellwang stundenlang im Fenster lag oder am Gartentor stand und auf den Briefträger lauerte, Tage, in denen er Vollerthun mit ungeduldigen und vorwurfsvollen Briefen bombardierte, nun endlich etwas von sich hören zu lassen oder ihm die Asche seines Manuskripts zurückzuschicken.
    »Wozu haben wir eigentlich das Telefon, Herr Doktor?« fragte Kathi, als ihr sein Gehabe allmählich auf die Nerven zu gehen begann.
    »Davon verstehen Sie nichts, Kathi«, knurrte er sie an, »der Henker kommt nicht per Telefon.«
    »Sie haben aber auch schon gar kein Zutrauen zu sich selber«, murmelte sie.
    Er sah sie an, als ob er sie fressen wollte.
    Und dann traf endlich der sehnlichst erwartete Brief ein, in dem unverkennbaren, leuchtend safrangelben Umschlag des Vollerthun-Verlages. Vollerthun äußerte sich begeistert über die Arbeit, und er war auch voller Zuversicht für den Erfolg des Buches. Er teilte Hellwang mit, daß er sich bereits vor einigen Wochen, bald nach seinem Besuch in Greiffing, mit dem Vertreter eines amerikanischen Verlages in Verbindung gesetzt hätte, und die Antwort an Hellwang nur deshalb so lange hinausgezögert habe, um auch dessen Urteil über die Aussichten einer amerikanischen Ausgabe zu hören. Nun könne er Hellwang die erfreuliche Überraschung bereiten, daß gleichzeitig mit der deutschen Ausgabe des Buches auch eine amerikanische in sehr hoher Auflage herauskommen werde. In Anbetracht der guten Witterung, die man drüben für lohnende Objekte habe, sei nicht anzunehmen, daß der amerikanische Verlag sich mit einem Ladenhüter behängen werde.
    Hellwang durfte zufrieden sein, >Lorbeer für fremde Fahnen< schien ein Erfolg zu werden. Ein Erfolg in jeder Hinsicht. Und der materielle Erfolg war sehr nötig, denn das letzte Jahr hatte mächtige Löcher in Hellwangs Konto gerissen. Er atmete auch befreit auf — aber das große Glücksgefühl, das ihn sonst erfüllt hatte, blieb aus.
    Die Kinder drückten sich im Eßzimmer die Nasen an den Fensterscheiben platt. Sie beobachteten Hellwang gespannt, wie er den Gartenweg heraufkam.
    »Du, ich glaub’, es ist nix«, sagte Lydia enttäuscht, »i moan, unser Konni hat a Fahrkartn g’schossn.«
    »Grad daherschleichen tut er«, stellte Britta bekümmert fest. Sie

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