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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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nervös an seinen Lippen kaute: »Ich halte es für Diphtherie. Die Diagnose ist im Anfangsstadium immer schwierig, aber bei einer Angina wäre die Temperatur höher und der Puls kräftiger. Und da sie zudem mit dem Lauser vom Stangl, dem ich die Ohren lang ziehen werde, gespielt haben...«
    Hellwang nickte stumm, es sah aus, als unterwerfe er sich dem harten Urteilsspruch eines Gerichtshofes. Doktor Lechner erhob sich und öffnete seine braune Bügeltasche: »Ich werde den beiden anderen Kindern ebenfalls Serum geben, aber ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß es einen absolut sicheren Schutz nicht gibt. Wenn sie sich schon angesteckt haben, dann hilft das Serum auch nichts. Und da sich im Hause eine strenge Isolation nicht durchführen läßt, würde ich dringend dazu raten, Britta ins Haunersche Spital zu legen.«
    Hellwang schaute nervös zu Britta hinüber, er erwartete einen neuen Tränenstrom und neuerliche Beschwörungen, sie nicht fortzugeben, aber Britta blieb ganz ruhig, obwohl sie den Vorschlag des Doktors verstanden haben mußte. Trix warf ihm und Dr. Lechner einen warnenden Blick zu: »Oh, unsere Britta ist ein tapferes Mädchen«, sagte sie, als ob sie auf Britta sehr stolz wäre, »als ich ihr erklärt habe, daß Diphtherie für solch kleine Buben wie für Söhnchen sehr ansteckend ist und auch sehr gefährlich werden kann, hat sie nichts mehr dagegen einzuwenden gehabt, in einer Klinik gesund zu werden.«
    Der Doktor verstand sofort. »Gefährlich?« rief er, »direkt lebensgefährlich ist die Geschichte für solch kleine Buben!« Er wandte sich an Trix, als mache er ihr Vorwürfe, Britta gänzlich falsch eingeschätzt zu haben: »Sie glauben doch nicht etwa, daß Britta eine von diesen feigen Heulliesen ist, die gleich ein Mordsgetöse machen, wenn sie nur hören, daß sie für ein paar Wochen ins Krankenhaus kommen sollen? Erlauben Sie mal, mein verehrtes gnädiges Fräulein, aber wenn Sie auch zehnmal die Tante von Britta sind, da kenne ich Britta denn doch besser als Sie!«
    »Gewiß, Herr Doktor«, murmelte Trix demütig und zerknirscht, »aber es gibt auch andere Kinder...«
    »Leider, leider, da haben Sie auch wieder recht.« Der Doktor köpfte eine Ampulle und zog das Serum langsam in die Spritze, »da gibt es doch wahrhaftig Kinder, sogar Buben, man sollte es nicht für möglich halten, die sich vor solch einer lächerlichen, kleinen Spritze fürchten.«
    »Jetzt erzählen Sie aber bestimmt Geschichten, Herr Doktor!« rief Trix ungläubig. »Das spürt man doch nicht mehr als einen Mückenstich!«
    Der Doktor schlug die Steppdecke zurück und betupfte Brittas Bein mit Alkohol. Britta lag ganz still und rührte sich nicht, nur ihre Augenlider zitterten ein wenig. Der Doktor setzte sich wieder auf den Bettrand. Seine rechte Hand schnellte mit einem kurzen Ruck vor...
    »Na, hat das etwa weh getan?« fragte er, als er die Spritze zurückzog.
    Britta schluckte ein wenig: »I dank recht schön, wann d’Stan-zen so stechen taten...!«
    »Ach so, freilich«, rief Dr. Lechner, »ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, daß ich selbstverständlich die afrikanischen Mücken gemeint hab’; weißt, Mordstrümmer Stanz’n sind das, denn was glaubst du wohl, was die für Stechrüssel haben müssen, um den Nilpferden und Elefanten durch die Schwarte hindurchzubohren.«
    Bevor er ins Badezimmer ging, um sich die Hände zu waschen, bat er Trix, Söhnchen und Lydia nacheinander ins Eßzimmer zu führen, damit er ihnen dort die Schutzinjektionen machen könne. Söhnchen ertrug die Prozedur standhaft, vielleicht deshalb, weil alles so rasch ging, daß es schon vorbei war, ehe er überhaupt merkte, was mit ihm geschah. Ein um so größeres Theater führte Lydia auf. Sie brüllte entsetzlich und wand sich wie ein Aal, wenn der Doktor die Spritze ansetzen wollte. Auch das gute Zureden von Trix half nichts. Schließlich blieb Hellwang nichts anderes übrig, als mit seiner Tochter für einige Minuten im Nebenzimmer zu verschwinden. Als sie zurückkamen, war die Widerspenstige gezähmt, und der Doktor konnte sein Werk vollenden, ohne in Gefahr zu geraten, die Kanüle abzubrechen.
    »Das hast nötig g’habt!« sagte er schweratmend zu Lydia, als er die Spritze in das Metalletui zurücklegte. Lydia maß ihn mit einem Blick tödlichen Hasses und verschwand wie der Blitz aus dem Zimmer. Der Doktor wischte sich die Stirn: »Au weh, jetzt bin ich bei der Dame abgemeldet«, stellte er gebrochen fest, »da wird’s
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