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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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irgendeine Weise hatte ich doch gewonnen. Ich hatte getan, wozu ich hergekommen war (was auch immer das gewesen sein mochte). Ich trat auf die Straße und marschierte los, dachte an Beatrice und überlegte, wie es wohl sein würde, sie in Paris zu treffen. Vielleicht wäre es ohne die ganzen Einschränkungen durch die Schatzsuche entspannter. Ich würde sie nie wieder nach dem toten Lehrer fragen.
    Und dann dachte ich an Butterfly. Ich betrat die Grand Central Station – so spät am Abend war es ruhig in dem Bahnhofsgebäude – und lief die 42nd Street entlang. Ich setzte mich auf die Treppe vor der New York Public Library und rauchte eine Zigarette, dann ging ich um die Nordseite der Bibliothek herum in den Park. Ich schlenderte an der Statue vorbei, wo ich den Hinweis gefunden hatte, und zu dem Karussell am südlichen Ende, das nun, in eine Abdeckplane gehüllt, dunkel und schweigend dastand. Ich umrundete es und blickte zum Springbrunnen hinüber.
    Im wirklichen Leben bekommt man selten alle Antworten, nach denen man sucht. Wenn Butterfly jetzt hier wäre, würde ich nicht mal welche von ihr verlangen.
    Gegenüber dem Karussell setzte ich mich auf eine Bank. Ich dachte an Cat. Ich überlegte, wie spät es sein mochte. Es musste beinahe Mitternacht sein.

24

    E IN MITTERNÄCHTLICHES T REFFEN IM P ARK
    Ich schloss die Augen, lehnte meinen Kopf zurück und badete im Licht der Sterne. Eine sanfte Brise, die die Baumkronen erzittern ließ, kündigte einen Wetterumschwung an und ich bildete mir ein, eine Gestalt über die Avenue auf mich zukommen zu sehen.
    »Hey.«
    »Hallo, Butterfly.«
    »Ich bin froh, dass du hier bist.« Sie setzte sich neben mich auf die Bank. »Hierher komme ich meistens, um allein zu sein, aber heute Abend habe ich die ganze Zeit an dich gedacht.«
    »Bist du nicht heute Nachmittag ins Flugzeug gestiegen?«
    »Ich habe mich in letzter Sekunde umentschieden.«
    »Woher wusstest du, dass ich hier sein würde?«
    »Wusste ich nicht; ich hatte es nur für möglich gehalten.«
    »Gut geraten.«
    »Und, du hast jetzt sicher tausend Fragen an mich, oder?«, wollte sie wissen.
    »Nein. Ich glaube nicht, dass du irgendetwas sagen könntest, das mich zufriedenstellen würde.«
    »Ich liebe dich, Ben Constable.«
    »Tja, das freut mich. Auch wenn ich nicht so richtig weiß, was das bedeutet.«
    »Es bedeutet gar nichts. Ich wollte es nur einfach sagen.«
    »Ich habe ein Abenteuer hinter mir, Tomomi Ishikawa. Ich habe eine neue faszinierende Stadt erkundet und es war wie in einem Roman, ziemlich verrückt, aber es war ein Abenteuer. Es hat mein Leben bereichert.«
    »Genau das sollte es. Nicht weil ich meine, deinem Leben würde es an Abenteuern mangeln, ich wollte einfach bloß, dass du etwas unternimmst, was mit mir zu tun hat. Ich wollte dir mein New York zeigen. Ich wollte, dass du siehst, wo ich gelebt habe und aufgewachsen bin.«
    »Du hättest einfach sagen können: Hey, lass uns doch mal zusammen Urlaub machen. Ich möchte dir New York zeigen! – Da hätte ich mit Sicherheit nicht Nein gesagt.«
    »Tja, ich habe einen anderen Weg gewählt. Und jetzt komme ich mir ziemlich blöd vor. Ich habe so ein Riesenchaos verursacht.«
    »Ein bisschen chaotisch war es schon.«
    »Mochtest du Beatrice?«
    »Ja.«
    »Mir gefiel der Gedanke, dass du sie ganz romantisch verführen würdest.«
    »Sie wollte nicht verführt werden. Zumindest nicht von mir.«
    »Hm.«
    »Aber du bist jetzt sauer auf sie, oder?«, fragte ich.
    »Sie hätte dich nicht zu meiner Mutter bringen dürfen.«
    »Also ich bin froh darüber. Es war schön, deine Mutter kennenzulernen.«
    »Das ist gut. Ich glaube nur, dass es für sie kein besonders schönes Erlebnis war, weißt du? Weil du gesagt hast, ich sei tot und so.«
    »Ja, tut mir leid. Aber du hast Beatrice auch in eine ziemlich vertrackte Situation gebracht.«
    »Du kannst ihr ja meine Entschuldigung ausrichten, wenn du sie das nächste Mal siehst.«
    Eine Weile schwiegen wir, dann fragte ich: »Fliegst du jetzt zurück nach Paris?«
    »Ja.«
    »Und was hast du vor, wenn du wieder da bist?«
    »Mich in mein unterirdisches Grab begeben.«
    »Wow, Butterfly, bist du etwa in Wirklichkeit eine Untote? Das würde dieser Geschichte nämlich wirklich eine unerwartete Wendung geben.«
    »Ha, ha, ha. Ich liebe dich.«
    Sie rutschte auf mich zu und ich legte die Arme um sie. Eine Zeit lang blieben wir so sitzen, während der Wind dicke Regentropfen auf uns herabklatschen ließ. Es war der

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