Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
von der du so besessen bist.«
»Ich bin nicht besessen davon«, widersprach ich.
»Sie bestimmt immerhin seit Monaten dein Leben«, meinte Beatrice. »Ich will einfach nicht mehr Teil von Butterflys Geschichten sein. Ich werde aus ihrer Wohnung ausziehen. Das habe ich ihr schon gesagt. Ich wünsche mir, dass es mir endlich besser geht, und du gehörst zu einer Welt, mit der ich nichts mehr zu tun haben möchte.«
»Darum bist du also immer so früh nach Hause gegangen.«
»Ich wollte mich einfach nicht hemmungslos mit dir betrinken. Du bist ein Unruhestifter. Ein liebenswerter Unruhestifter zwar, aber zu gefährlich für mich.«
»Du hast gesagt, du wärst nicht zu haben.«
»Ja, das schien mir netter, als zu sagen, ich hätte kein Interesse – und vor allem war es leichter zu erklären. Du bist toll, auf ganz viele Arten, aber du warst einfach auf der falschen Schatzsuche und ich glaube nicht, dass sich daran je etwas ändern wird.«
»Okay«, sagte ich und meine Gedanken waren schneller als ich. »Hast du diesen Lehrer getötet?«
»Nein.«
»Aber an der Geschichte ist mehr dran, als du mir verraten hast, oder?«
»Das werde ich dir nie erzählen. Und ich werde auch nie mehr daran denken. Das alles existiert einfach gar nicht mehr. Halte dich ruhig weiter an Butterfly und ihre Geschichten, aber ich bin nicht mehr Teil davon.«
»Okay.«
»Bist du jetzt sauer auf mich?«
»Bei Butterflys Mutter war ich noch sauer. Da dachte ich, du wärst ein hinterhältiges Biest.«
»Ich weiß. Ich war die ganze Zeit kurz davor, loszuheulen.«
»Das habe ich gesehen. Tut mir leid, dass ich so ungehalten war.«
»Ungehalten? Da hatte ich gerade fast vergessen, dass du Brite bist, und schon kommst du wieder mit so was wie: Welch außerordentlich ungehaltene Reaktion meinerseits.«
»Ich wünschte, wir könnten uns noch mal unter ganz anderen Umständen neu kennenlernen.«
»Ach, da fällt mir noch etwas ein, das du noch gar nicht weißt.«
»Ach herrje. Muss das wirklich jetzt sein?«
»Es ist nichts Schlimmes, ich konnte es dir nur nicht früher sagen, weil ich so damit beschäftigt war, dich loszuwerden, aber das habe ich dir ja schon erklärt. Darum habe ich dir noch gar nicht erzählt, dass ich in zwei Wochen für ein paar Tage nach Paris fliege, bevor das neue Semester anfängt. Freunde besuchen. Na ja, jedenfalls dachte ich, wenn ich schon mal da bin, könnten wir vielleicht einen Kaffee trinken gehen oder so was in der Art.«
»Klar, das wäre schön.«
»Ich kann dich ja anrufen, wenn ich da bin.«
Dann saßen wir eine Weile einfach da und atmeten vor uns hin. Ich konnte ihre Augen hinter der Sonnenbrille nicht sehen.
Irgendwann stemmte sie die Ellbogen auf den Tisch, beugte sich zu mir und sagte: »Ich will mich immer noch nicht hemmungslos mit dir betrinken. Und ich bin immer noch kurz davor, loszuheulen.«
»Das heißt, du gehst jetzt?«
»Ja.« Sie stand auf und kramte ihr Portemonnaie hervor.
»Nein, im Ernst, die Getränke übernehme ich«, wiederholte ich.
»Okay, dann gebe ich aber die nächste Runde aus.«
»Abgemacht.«
Dann kam sie zu mir herüber und küsste mich auf die Wangen, als wären wir in Frankreich, und sagte: »Es war schön, dich kennenzulernen, Benjamin Constable, dich und deinen imaginären Kater, den ich nie gesehen habe.«
»Er hat dich gesehen.«
»Und, wie fand er mich?«
»Keine Ahnung. Er kann nicht sprechen.« Beatrice lachte und ich fügte hinzu: »Mich hat es auch gefreut, dich kennenzulernen, Beatrice. Ich habe irgendwie das Gefühl, ich sollte mich bei dir bedanken. Du hast so viel für mich getan, das weiß ich zu schätzen. Aber es auszusprechen, würde sich irgendwie falsch anfühlen.«
»Du solltest dich nicht bei mir bedanken.«
»Nein.«
Beatrice lächelte und ging. Ich sah ihr nach und wartete darauf, dass sie sich noch einmal umdrehte und zu mir zurückblickte, aber Beatrice blickt nicht zurück.
Ich ging in ein Internetcafé, aber ich hatte keine neuen E-Mails bekommen. Ich buchte für den nächsten Tag einen Flug nach Paris und rief im Hotel an, um zu bestätigen, dass ich früh am nächsten Morgen auschecken würde. Dann suchte ich mir ein italienisches Restaurant, aß Linguine mit Meeresfrüchten und trank ganz allein eine Flasche Wein wie ein versoffener alter Knacker. Ich fragte mich, wie viel Geld ich in den letzten neun Tagen wohl ausgegeben hatte. Ich musste deutlich über meine Verhältnisse gelebt haben.
Alles war gut. Auf
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