Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
schimmerten meine Zähne violett. Ich brachte den Aschenbecher und das Weinglas in die Küche und ging zurück ins Schlafzimmer, um die leeren Flaschen zu holen. Die Tatsache, dass ich mich ganz allein betrunken hatte, gab mir zu denken, andererseits fand ich, dass es unter den gegebenen Umständen durchaus vertretbar war, ein kleines bisschen zu entgleisen. Und genau das war es, was ich wollte. Entgleisen.
Ich duschte und schrubbte mir gute fünf Minuten lang die Zähne, bis sie wieder einigermaßen zahnfarben waren. Ich öffnete die Fenster und kalte Luft wehte herein, die Vorhänge ließ ich geschlossen. Dann legte ich mich, noch nicht ganz abgetrocknet, zurück ins Bett und schlief.
Als ich das nächste Mal aufwachte, war es drei Uhr nachmittags. Ich fühlte mich nicht mehr betrunken und um meine Hüften war ein Handtuch geschlungen. Ich stand auf und schlüpfte in ein Paar Shorts, ohne mich auch nur eine Sekunde zu entblößen. Verdammt, Butterfly, ich glaube noch nicht mal an Geister oder ein Leben nach dem Tod oder so was. Trotzdem kehrte ich dem Zimmer den Rücken zu, während ich meine Jeans anzog.
Ich hätte gern irgendein Fertiggericht gegessen, aber ich hatte keins da. Also hackte ich Schalotten und Champignons und briet sie, zusammen mit Speckstreifen und einer ordentlichen Portion schwarzem Pfeffer, kurz an. Ich rührte Crème fraîche darunter und wartete darauf, dass das Spaghettiwasser kochte. Dann mischte ich die Nudeln mit der Soße, schlug noch ein rohes Ei hinein, bestreute das Ganze mit Parmesan und verschlang einen riesigen Teller davon. Die Qualität war eher mäßig, aber zumindest die Quantität war in Ordnung, und da noch eine ebenso große Portion in der Pfanne verblieb, musste ich mir wenigstens für den Rest des Tages keine Gedanken mehr übers Essen machen. Ich trank den Grapefruitsaft aus.
Anschließend setzte ich mich auf mein Bett und träumte davon, wie es wäre, mein gesamtes Leben den Bach runtergehen zu lassen. Am liebsten hätte ich alles aufgegeben und als Obdachloser auf der Straße gelebt, bis ich in ein paar Jahren in einer Winternacht an Unterkühlung starb. Ich putzte das Spülbecken in der Küche und wischte den Boden. Dann schrubbte ich die Toilette, die Dusche und den Badezimmerboden. Zum Schluss flitzte ich noch mit dem Staubsauger durch die Wohnung. Im Wohnzimmer beäugte mich Butterflys Computer. Ich schaltete ihn ein und öffnete den Ordner Mein Gehirn .
Ich habe eine halbe Flasche Pastis geleert, um betrunken zu werden, doch anstatt im Nebel der Selbstvergessenheit zu versinken, den ich so herbeigesehnt hatte, stellte sich direkt der Kater ein, von dem ich von Anfang an gewusst hatte, dass ich ihn bereuen würde. Es ist jetzt 15 Uhr 20 und in meinem Kopf hämmert es. Ich kann nur jedem empfehlen, ein bisschen mehr als bloß einen Joghurt zu essen, bevor er sich hartem Alkohol zuwendet. Eine unangezündete Zigarette hängt zwischen meinen Lippen. Links von mir steht ein Glas, das noch immer einen großzügigen Rest enthält, rechts ein Aschenbecher und dazwischen huschen meine geschwätzigen Finger über die Tastatur. Flrrrr.
Ich schreibe aus Gewohnheit, Ben Constable, so wie diese Leute, die reden, nur um ihre eigene Stimme zu hören. Das hier ist eigentlich nicht für dich bestimmt, heute bist du einfach nur das personifizierte Überdruckventil für mein Gehirn, eine imaginäre Person, die meinen umherschweifenden Gedanken lauscht.
Wenn je ich sterbe und du lebst … Ich kann nicht schlafen. Ich nicke immer wieder ein, im Sitzen, im Stehen, und dann kommt der Sandmann und will mir Träume schenken, aber ich erkenne ihn. Es ist der Tod, der mich holen will, und dann schrecke ich auf, denn so sehr ich mich auch nach dem Tod sehne, so verzweifelt laufe ich Feigling auch vor ihm davon. Ich trinke, weil ich hoffe, dass ich eines Tages den Mut zum Loslassen finde.
Wenn je ich sterbe und du lebst und Zeit lief gluckernd ab … mein Kopf sackt unwillkürlich nach vorn, und während mein Bewusstsein schwindet, steigt das Bild eines Ortes in mir auf. Ich frage mich, ob du ihn kennst. Wenn du von Gambetta aus die Straße hinuntergehst, erreichst du eine kleine grüne Insel, wo mehrere Straßen aufeinandertreffen. Eine davon führt am Père Lachaise entlang, zwei andere steigen zunächst steil an und fallen dann abrupt wieder ab, sodass du nicht siehst, was hinter der Kuppe liegt, und dir jenseits dieses Horizonts alles vorstellen kannst, einen schwindelerregenden
Weitere Kostenlose Bücher