Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
haben.«
»Klingt super«, sagte sie wenig begeistert.
»Das Blöde ist nur, dass du hinterher nur noch mich hast.«
»Wer sagt denn, dass du nicht Teil der Vergangenheit bist, die ich hinter mir lassen will?«
Ich hielt inne. Auf den Gedanken, dass ich Teil irgendjemandes Problems sein könnte, war ich gar nicht gekommen. Wenn das stimmte, warum zum Teufel traf sie sich dann überhaupt hier mit mir? Ich beschloss, dass sie sich gerade ziemlich danebenbenahm. »Du kannst mich mal.«
»Tut mir leid.«
»Du musstest dich ja nicht mit mir treffen. Ich habe echt Besseres zu tun, als mir von dir erzählen zu lassen, wie schrecklich es mit mir ist.«
»Nein, mir tut’s wirklich leid. Das wollte ich nicht. Ich habe nur einfach so viele Zweifel im Moment. Du bist der Einzige, mit dem ich über solche Sachen reden kann. Das kam irgendwie falsch rüber.«
»Okay«, murmelte ich und trank einen großen Schluck von meinem Bier.
»Normalerweise würde ich keine Bank ausrauben wollen, aber mit dir wäre das bestimmt witzig«, erklärte sie, in dem Versuch, wieder gut Wetter zu machen. »Was würdest du mit deinem Anteil des Geldes machen?«
Ich war nicht sicher, ob ich noch Lust auf dieses Gedankenspiel hatte. »Ich würde ein Boot kaufen.« So etwas funktioniert wie eine Assoziationskette. Man darf nicht über die Antwort nachdenken, sondern muss das Erste sagen, was einem einfällt.
»Und ein Luxusleben an der Riviera führen?«
»Nein, ich würde Pirat werden.«
»Oh, dann brauchst du eine Augenklappe und einen Dreispitz!«
»So ein Quatsch. Das soll schließlich keine Kostümparty werden. Damit würde ich mich ja zur Witzfigur der ganzen Piratengemeinschaft machen. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert.«
»Stimmt«, gab sie zu. »Mir gefällt nur einfach die Vorstellung, dass du angemessen gekleidet bist. Oh, und noch was!«
»Ja?«
»Du könntest haufenweise Frauen in verschiedenen Ländern haben.«
»Ach, dreißig vielleicht?«
»Mindestens! Du hättest in jedem Hafen eine und zwischendurch Affären mit den rassigen Schönheiten auf den Schiffen, die du kaperst. Die verfallen allesamt deinem Piratencharme und deinen derben Manieren.«
»Habe ich etwa derbe Manieren?«
»Die könntest du dir bestimmt locker aneignen.«
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Tut mir leid. Ich glaube, manchmal bin ich wirklich nicht besonders einfühlsam.«
»Was?«
»Na ja, weil ich doch gesagt habe, dass du wie eine richtige Dame aussiehst.«
»Ben Constable, mein Problem ist, dass ich mit dir über Sachen reden kann, und das ist ein bisschen so, als würde ich mich in meinem Elend suhlen. Aber manchmal gehst du einfach nicht darauf ein und erzählst mir irgendeinen Quatsch, wie zum Beispiel, dass ich eine Bank ausrauben soll, und das ist auch gut so. Meinen ganzen Scheiß muss man ignorieren und nicht noch zusätzlich anheizen.«
»Aber du musst mit deinem Scheiß schließlich irgendwie klarkommen. Ich glaube, das ist alles nur eine Frage des Zeitpunkts.«
»Irgendwann erzähle ich dir meinen Scheiß mal genauer, aber …«
»Aber dann müsstest du mich leider umbringen?«
»Tja, ein bisschen Schwund ist immer.«
»Vielleicht sollten wir doch lieber den Banküberfall planen. Meinst du, wir könnten einen Tunnel graben?«
»Hey, Paris ist doch voll mit Tunneln«, rief sie. »Vielleicht ist ja schon einer da, den wir benutzen können.«
Ich hörte auf zu schreiben und stand auf, um mich zu strecken, dann ging ich zum Kühlschrank, auf der Suche nach einem kleinen Snack. Eine rohe Karotte knabbernd, setzte ich mich wieder hin und begann, den Computer zu durchsuchen. Der Ordner Meine Toten zog mich an wie ein riesiger finsterer Magnet. Ich klickte auf den Ordner mit dem Titel Fremder . Darin befand sich ein einziges Dokument, das mit dem Namen 09-11-2001 versehen war. Ich öffnete es mit einem Doppelklick.
Diese Geschichte ist ein Geheimnis. Du bekommst sie nicht einfach so. Alles hat seine Zeit. Folge den Hinweisen, dann findest du den Schatz.
Ich öffnete Butterflys Mein Paris -Ordner und klickte auf die Datei, die sie Alles hat seine Zeit genannt hatte. Der Text handelte von einer Skulptur am Bahnhof Saint-Lazare, die aus stehen gebliebenen Uhren besteht. Diese Skulptur kannte ich. Ich kramte den Briefumschlag mit dem Rätsel aus dem Schirmgeschäft hervor. Schon hier war mir zuerst das Kunstwerk eingefallen, doch Butterflys Wohnung schien mir damals das wahrscheinlichere Versteck. Jetzt aber
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