Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
wiederhergestellten guten Laune.
Wir fanden den Eingang des Gartens, der sich als üppig grüne, schattige Oase voller Bäume und Blumen herausstellte, etwas ausgereifter als die Gemeinschaftsgärten, die ich in Paris gesehen hatte. Überragt wurde all das Grün von einem leicht düster wirkenden, etwa achtzehn Meter hohen Holzturm, an dem vergessene Puppen und anderes Spielzeug hingen.
»Soll der wohl Kinder abschrecken?«, fragte ich Beatrice mit gesenkter Stimme.
»Entschuldigen Sie?« Beatrice ging nicht auf meine Frage ein, sondern wandte sich an eine Frau, die vor einem der winzigen Beete hockte und die Erde zwischen den Pflanzen auflockerte. »Wir sind auf der Suche nach Iris. Können Sie uns sagen, ob sie hier ist?«
Ich war schockiert. Das hier war meine Schatzsuche. Ich wollte nicht, dass Beatrice das Ruder übernahm.
»Iris Gunther?«, fragte die Frau. »Ja, die ist da drüben.« Wir folgten ihrem Zeigefinger, um zu sehen, ob die alte Dame, auf die sie deutete, unsere Iris sein könnte. »Iris!«, rief die Frau. »Hier sind zwei junge Leute, die dich sprechen wollen.«
Iris war groß und schön, sie trug ihr weißes Haar zu einem Knoten geschlungen und war komplett weiß gekleidet. Ihre Bluse war hochgeschlossen (vermutlich, um das Loch an der Stelle zu verbergen, wo sich einst ihr Kehlkopf befunden hatte) und um ihre Schultern lag ein Schal, der vorne von einer Brosche in Form eines Schmetterlings zusammengehalten wurde.
Ich hob die Hand, um Beatrice am Sprechen zu hindern, doch sie starrte Iris ohnehin nur staunend an.
»Mein Name ist Benjamin Constable«, ich streckte ihr die Hand entgegen, »und das hier ist meine Freundin Beatrice.« Iris hakte ihre Rosenschere in ihre Rocktasche und zog bedächtig ihre Gartenhandschuhe aus. Sie lächelte und schüttelte erst mir die Hand und dann Beatrice. »Ich bin ein Freund von Tomomi Ishikawa. Sie sagte, Sie hätten etwas für mich.«
Wieder lächelte sie und nickte, dann zog sie aus der anderen Rocktasche einen Notizblock, schlug ihn auf und hielt ihn hoch. Ich kann leider nicht sprechen; ich habe keine Stimme , stand dort geschrieben in der elegant geschwungenen Handschrift einer anderen Generation.
»Ich weiß.« Ich lächelte. »Butterfly hat es mir gesagt.«
Sie blickte mich verständnislos an und ich fügte hinzu: »Tomomi Ishikawa.« Ihr Lächeln kehrte zurück und sie nickte.
Mit Blicken und einer Handbewegung bedeutete sie uns, ihr zu folgen. Sie hatte etwas Kindliches an sich, so als hätte der Umstand, dass sie in ihrer Ausdrucksweise auf Gesten beschränkt war, sie vollkommen unschuldig gemacht. Sie führte uns zu einem kleinen, rechteckigen Stück Teppich, das während der Arbeit als Polster für ihre Knie diente. Dieser Gartenabschnitt quoll geradezu über vor Pflanzen, die aus Töpfen oder direkt aus der gepflegten Erde emporwuchsen. Unter anderem sah ich auch eine Buddleja mit lilafarbenen Blütenzapfen. Neben dem Teppich lagen allerhand Gartenwerkzeuge um eine alte Ledertasche verstreut: eine Küchenschere, eine Schaufel und eine kleine Harke. Iris nahm einen Umschlag aus der Tasche und reichte ihn mir.
»Danke«, sagte ich strahlend.
Es war kein Papier darin, kein Notizbuch, sondern etwas Dreidimensionaleres, gut Verpacktes.
Ein paar zähe Sekunden lang breitete sich Schweigen zwischen uns aus. Ich sah Beatrice an, überrascht, dass sie gar nichts mehr gesagt hatte. Ihr Blick war fest auf die alte Dame gerichtet, bevor sie ihn kurz von ihr löste und meinen auffing. Zum Schluss schüttelten sich abermals alle die Hände und ich musste Beatrice regelrecht aus dem Garten schleifen. Bevor wir durch das Tor traten, drehte ich mich noch einmal um und winkte.
»Oh Mann, ich glaube, ich bin verliebt«, schwärmte sie.
Ich riss den Umschlag auf und wir spähten hinein. Dann hielt ich ihn Beatrice hin, um sie herausholen zu lassen, was auch immer sich darin befand, doch sie zog übertrieben erschrocken die Hand weg, also machte ich es selbst. Ein mit Gummibändern zusammengehaltenes Bündel aus Luftpolsterfolie kam zum Vorschein. Darin befanden sich zwei Metalllöffel, drei Eindollarscheine und ein kleiner quadratischer Zettel, wie ein Post-it, nur ohne Klebefläche.
Darauf stand eine Nachricht:
Hier eine Anleitung, die zu einem außergewöhnlichen Joghurterlebnis führt (wenn du ein Mädchen einlädst, kannst du bestimmt Eindruck bei ihr schinden): Sucht den Feinkostladen auf der Elizabeth Street zwischen Bleecker und Houston und
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