Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
da zusammen drin. Wir könnten die Wohnung doch einfach verkaufen und das Geld unter uns aufteilen.«
»Tut mir leid, Butterfly, aber so läuft das nicht.«
»Aber Sie verstehen das nicht. Ich habe dann gar nichts mehr.«
»Seien Sie nicht albern. Sie haben schließlich Eltern, die nicht in Armut leben, und Sie haben einen Job. Ehrlich, Ihre Kleines-verwöhntes-Mittelstandsmädchen-Vorstellung von nichts ist eine Frechheit gegenüber Millionen von Menschen, die weder Essen noch ein Dach über dem Kopf haben.«
»Scheiß auf Sie, Dr. Bastide. Die Wohnung ist mein Erbe. Ich habe mich mein ganzes Leben lang um Komori gekümmert. Und am Ende habe ich allein das gesamte Risiko auf mich genommen. Bitte, lassen Sie mir doch wenigstens etwas.«
»Nein.«
»Oh Gott … Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich sage: Ich schlafe auch mit Ihnen. Bitte.«
»Nein.«
»Bitte, Dr. Bastide. Ich meine es ernst.«
»Butterfly, so tief bin ich noch nicht gesunken, dass ich davon profitiere, wenn Sie sich erniedrigen und prostituieren.«
»Und ob Sie so tief gesunken sind, Doktor, schon längst. Außerdem – ich bin sechsundzwanzig. Ich lebe in New York. Ich hatte schon den einen oder anderen Freund und ich habe Sex. Was macht ein Fick mehr oder weniger schon aus? Es gibt unattraktivere Menschen als Sie auf der Welt. Es würde mich nicht umbringen. Lassen Sie mir nur wenigstens etwas.«
»Wie viel?«
»Die Hälfte.«
»Nichts für ungut, Butterfly, aber Ihre sexuellen Gefälligkeiten sind wohl kaum so viel wert wie die Hälfte von Keikos Wohnung. Aber ich mag Sie. Und wissen Sie was? Ich würde Ihre Liebesdienste wirklich gern in Anspruch nehmen. Ich lasse Ihnen zehntausend.«
»Glauben Sie ja nicht, dass dabei so was wie Liebe im Spiel sein wird. Es wäre Sex, sonst nichts. Aber ich brauche mehr.«
»Wie viel?«
»Fünfzig.«
»Nein.«
»Okay, Dr. Bastide. Mir reicht’s. Und ich weiß nicht, was ich noch vorschlagen soll. Ich werde einen Monat lang mit Ihnen schlafen. Ich werde dabei so tun, als würde ich Sie lieben. Wenn Sie wollen, können Sie mich Mami nennen, während ich Ihren Schwanz lutsche. Ich gehöre Ihnen, dreißig Tage lang. Sie bekommen die Wohnung, lassen mir fünfzigtausend Dollar und ich werde Sie bis zu meinem Tod hassen. Aber dann ist die Sache gegessen und wir reden nie wieder darüber.«
Er sah mich an. Ich erwiderte seinen Blick hoffnungsvoll, ohne eine Spur des Gifts, das meine Worte versprüht hatten. »Abgemacht.«
Ich grinste, als wäre das das Erfreulichste, was ich je gehört hatte.
»Gut, dann bestelle ich jetzt die Rechnung«, sagte er. »Und dann könnte ich Sie bei meiner neuen Wohnung absetzen.«
»Klingt super«, erwiderte ich.
Wenn ich eine Sache definitiv vermeiden wollte, dann war es, Guy Bastide auch nur in die Nähe meiner Wohnung zu lassen, und außerdem hatte ich nicht damit gerechnet, direkt eine sexuelle Anzahlung leisten zu müssen. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich hatte gedacht, mir würde mehr Zeit für die Planung bleiben.
Bastide besaß einen glänzenden schwarzen Mercedes, den er glücklicherweise auf der Straße geparkt hatte und nicht in irgendeinem Hochsicherheitsparkhaus. Wir fuhren los und meine Gedanken rasten. Nach zwei oder drei Blocks sagte ich: »Eigentlich will ich noch gar nicht nach Hause. Warum machen wir nicht einen kleinen Ausflug?«
Er sah mich an und ich lächelte ihm zu und versuchte dabei, schüchtern und zugleich fickbar zu wirken.
»Wo willst du denn hin?«, fragte er.
»Ich weiß nicht. Ans Meer vielleicht. Irgendwohin, wo es nichts als Meer gibt.«
»Okay«, erwiderte Bastide und tätschelte mir das Bein. Ich streichelte seine Hand und versuchte, meine Abneigung zu verbergen.
Wir fuhren durch Queens in Richtung Long Beach und dann eine Weile, die sich ewig hinzuziehen schien, ostwärts an der Küste entlang. Mein Herz schlug doppelt so schnell wie sonst, so verzweifelt suchte ich nach einem Plan. Irgendwo jenseits von Long Beach gelangten wir über eine Brücke auf eine kleine, mit sandigem Gestrüpp bewachsene Insel und bogen von der Straße auf einen holprigen Pfad ab. Ich fragte mich, wer von uns beiden in größerer Gefahr war. Auf der Suche nach Inspiration blickte ich mich um. Außer einem Edelstahl-Kugelschreiber in dem kleinen Fach unter dem Radio sah ich nichts. Ich schob meine Füße nach vorn und begutachtete meine Schuhe: Sandalen mit breitem, mittelhohem Absatz.
Er streckte die Hand aus und ließ sie
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