Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
seine Leiche. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich den Hebel fand, der die Tankklappe öffnete, und ich stopfte noch ein paar Taschentücher in den Tank. Dann kramte ich ein Feuerzeug aus meiner Tasche, stellte den Automatikhebel auf Drive und löste die Bremse. Während der Wagen vorwärtsrollte, lief ich gemütlich daneben her, zündete erst die Taschentücher rund um Bastide an und schließlich die, die aus der Tanköffnung lugten. Das Auto rumpelte weiter Richtung Westafrika, blieb jedoch schon nach einem kurzen Stück, ein Hinterrad in der Luft, im weichen Sand stecken. Ich wollte, dass es weiter ins Meer rollte oder zumindest so weit den Strand hinunter, dass die Flut es mit sich reißen würde. Dann fiel mir wieder ein, dass der Wagen ja brannte, und ich rannte los. Nur Sekunden später stand er lichterloh in Flammen.
Ich ging über die Brücke zurück, über die wir gekommen waren, und drehte mich noch einmal zu den züngelnden Flammen um, die in der Dunkelheit leuchteten. Das Auto brannte gut.
An der erstbesten Seitenstraße bog ich ab und wandte mich mal nach links, mal nach rechts. Ich überschlug, wie lange es wohl dauern würde, bis ich in Queens war oder zumindest irgendwo, wo es öffentliche Verkehrsmittel gab. Nach fünfeinhalb Stunden erreichte ich meine Wohnung, unbemerkt und aufgekratzt. Ich sprang unter die Dusche und schrubbte mich gründlich sauber. Meine linke Hand war lädiert, die Haut aufgeplatzt, wo ich sie mit der Sandale erwischt hatte, meine Wange war geschwollen und blau und ich hatte eine kleine Wunde unter dem Auge. Nichts Ernstes und nichts, was nicht innerhalb einer Woche verheilt sein würde. Doch das unbehagliche Gefühl, überall dort, wo er mich berührt hatte, hielt noch Monate an.
Bastide schaffte es schon am nächsten Morgen auf die Titelseiten der Zeitungen, was schneller ging, als ich erwartet hatte, doch das war es nicht, was mich erschütterte. Es waren die Berichte selbst. Darin hieß es, die Polizei habe ihn in seinem brennenden Auto gefunden. Jemand habe versucht, ihn zu erstechen, doch er sei noch am Leben gewesen. Gestorben sei er erst kurz darauf im Rettungswagen. Eine weitere Überraschung war, dass er eine Ehefrau und drei Kinder hinterließ. Von einer Familie hatte ich nichts gewusst. Ich fragte mich, ob er noch hatte sprechen können. Das würde ich wohl früh genug herausfinden.
Die nächsten zwei Wochen wartete ich schicksalsergeben darauf, dass die Polizei vor meiner Tür stand und mich verhaftete, doch es kam niemand.
20
M C C ARTHY S QUARE
Lust auf ein Bier? , textete ich.
Treffen um 11 im Café Ecke 11th/ 4th?
Bin schon da mit Bier und Cat.
Wow, immer diese Zufälle. Bin in 20 Min. da.
Beatrice kam, küsste mich auf die Wangen, bestellte sich ein Bier und setzte sich mir gegenüber.
»Also, was hast du so getrieben, außer mit deiner Katze Bier zu trinken?«
»Ich bin zur Jefferson Market Library gegangen und habe ein Buch gefunden, das ausgehöhlt war, und drinnen steckte der nächste Mord.«
»Machst du Witze?«
»Nein. Streetny hat mich da hingeschickt.«
»Ich nehme an, der Tod in einer Bibliothek sollte mich nicht überraschen. Et in Arcadia ego . «
»Das habe ich schon mal gehört, aber ich weiß nicht, was es bedeutet.«
»Auch in Arkadien bin ich. Ich ist dabei der Tod, der nicht nur überall anders präsent ist, sondern auch in Arkadien.«
»Hat das irgendwas mit diesen überdachten Einkaufspassagen zu tun?«
»Nein, mit Arkadien in Griechenland, du Trottel. Die Bezeichnung Arkaden für überdachte Einkaufspassagen leitet sich vom lateinischen Wort für Bogen ab.«
»Weißt du eigentlich alles?«
»Ich weiß nicht. Kann sein.«
»Na ja, die Geschichte war jedenfalls ziemlich verstörend und ich frage mich langsam, ob Butterfly mich einfach nur alle ihre leichtsinnig versteckten Notizbücher einsammeln lässt, weil sie es selbst nicht mehr tun kann. Hast du die Geschichte über den Lehrer gelesen, die ich dir gegeben habe?«
»Oh ja. Hier. Ich habe sie dir wieder mitgebracht.« Beatrice holte das Notizbuch aus ihrer Tasche.
»Und, was meinst du?«
»Da ging es nicht um mich.« Das war nicht sehr informativ.
»Mehr nicht?«
»Ich glaube nicht, dass es eine wahre Geschichte ist.«
»Aber welcher Idiot würde denn Geschichten schreiben, in denen er sich selbst zum Mörder macht?«, fragte ich.
»Darauf weiß ich keine Antwort«, erwiderte sie.
»Nein, ich auch nicht.«
Wir grübelten kurz darüber nach, so als gäbe
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