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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
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Mariechen beweglich, »sie mag es nicht, sagt sie. Genau wie Johannes, seit er von seinen Reisen zurück ist und so sonderbare Dinge sagt.«
    »Es ist nicht nötig, daß Veronika Fleisch ißt«, sagte Doktor Gallus, »sie soll essen, wonach sie Lust hat. Menschen und Affen sind nahe Verwandte, und die Affen leben auch vegetarisch.«
    Tante Mariechen schauderte es.
    »Veronika ist doch kein Affe!« meinte sie entsetzt.
    Doktor Gallus lachte giftig. Er liebte es sehr, Tante Mariechen ein wenig zu ärgern.
    »Nun«, sagte er großmütig, »ein richtiger Affe ist die kleine Veronika ja nicht. Aber so ähnlich sind wir doch alle.« Tante Mariechen hob abwehrend die Hände.
    »Ich bin kein Affe«, sagte sie aus vollster Überzeugung.
    »Affen sind kluge Tiere«, schnappte Doktor Gallus höhnisch, »jedenfalls leben sie vernünftiger als wir. Man sollte sich eigentlich ein Beispiel an ihnen nehmen. Guten Morgen, meine Damen, und seien Sie vorläufig ganz ohne Sorge.«
    Regine dankte Doktor Gallus herzlich und geleitete ihn zur Türe. Tante Mariechen war sprachlos. Aber dann kam ihr ein Gedanke: Vielleicht hatte Johannes auf seinen Reisen die ganze Zeit unter Affen gelebt, und darum war er so sonderbar geworden?
    »Das mit den Affen wird sich doch nicht auf uns übertragen, Regine? Auf Veronika, auf dich, oder gar auf mich? Das wäre ja nicht auszudenken«, meinte sie bekümmert.
    Veronika war unterdessen zu Johannes Wanderer in den Garten gegangen, und beide betrachteten sich die Blumenbeete.
    »Der Onkel Doktor ist ganz zufrieden, und ich soll seinen Papagei besuchen«, sagte Veronika, »aber weißt du, es war doch komisch, wie es gestern war. Der Mann zuerst war ja grausig, aber nachher war es eigentlich schön, und mir ist es so, als wenn ich ganz woanders gelebt hätte, und dabei ging alles so schnell, viel schneller, als es hier geht. Sage einmal, Onkel Johannes, war das so etwas, wie das Bilderbuch der grauen Frau? Ich kann es mir nicht so erklären. Es war doch alles wirklich, du kannst es mir glauben. Bloß Tante Mariechen denkt, daß ich zu wenig esse, und Mama sagt, daß ich nur geträumt habe, weil ich Fieber hatte.«
    »Es ist schon wirklich gewesen, Veronika«, sagte Johannes Wanderer, »du kannst auch sagen, daß es ein Bilderbuch war, aber ein anderes und viel lebendigeres als das Bilderbuch der grauen Frau. Du hast früher so gelebt, wie du es gestern zurück lebtest, das wirst du später einmal genauer verstehen. Siehst du, es ist wie mit den Blumen, die heute blühen und morgen welken, und später kommen sie wieder neu aus der Erde heraus und blühen wieder.«
    »Du warst auch mit in dem Bilderbuch, Onkel Johannes, und ich kann mich besinnen, daß es in einem Tempel war, und außer dir waren reizende Affen darin.«
    »Das ist erfreulich, Veronika«, sagte Johannes Wanderer, »Affen sind angenehme Leute, und im alten Indien waren sie heilige Tiere.«
    »Weißt du«, meinte Veronika, »ich hätte gewiß noch viel, viel mehr behalten, aber dazwischen kam immer das klare Wasser, das alles abwusch, und eigentlich war das auch wunderschön.«
    »Dafür müssen wir sehr dankbar sein, Veronika. Ohne das kristallene Wasser, das uns reinigt, hielten wir die vielen mühsamen Wanderungen auf den staubigen Straßen des Lebens gar nicht aus. Das kristallene Wasser nimmt uns die Bürden, die wir tragen, ab, und macht uns wieder jung, als wäre es eben erst Morgen geworden.«
    »Ja, solch ein Gefühl ist es, meinte Veronika nachdenklich, »aber wenn das die Bürden sind, die wir trugen, müssen wir sie behalten und weitertragen, oder sollen wir sie vergessen?«
    »Wir müssen wohl manches weitertragen, bis es ganz von uns abfällt, aber wir wollen nicht immer daran denken«, sagte Johannes Wanderer, »wir müssen aufs neue wieder leben, wie die Blumen aufs neue blühn, aber jede Blüte muß reifer sein als die vorige. Wir sollen uns wohl dazwischen an unsere alten Bürden erinnern, wenn das blaue Licht im Leuchter des Engels brennt. Die Schwere der Bürden aber dürfen wir vergessen, nur ihren Sinn sollen wir bewahren.«
    »Und wie machen es Mutzeputz und Magister Mützchen?« fragte Veronika. »Sie machen es ein wenig anders als wir, Veronika, aber in vielem ist es auch bei ihnen ähnlich wie bei uns. Wir wandeln uns alle und wachsen ins Licht, wir sind alle Geschwister und Blumen in Gottes Garten.«

5. Irreloh

     
    Ein altes Gebäude ist wie eine alte Geschichte in Stein gehauen und mit seltsamen Gebilden und Zeichen

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