Die drei Lichter der kleinen Veronika
können wir nun einmal heute dem aufgeklärten Verstande nicht mehr zumuten.«
»Ich bin gewiß kein Freund orthodoxer Unduldsamkeit, der anderen übrigens auch nicht, ich finde aber, daß eine Religion ohne Wunder keine Religion mehr ist. Es geschehen doch auch heute noch Wunder, jede Blume ist eines, und das Wunder des Lebens und Sterbens kann auch die moderne Naturwissenschaft nicht erklären.«
»Wir sind doch vielem nahegekommen«, wandte Pastor Haller ein.
»Oder sehr weit. Verstand und Geist ist nicht dasselbe.«
»Am Ende reden Sie noch den Leuten von Halmar das Wort und stehen ihren Gespenstern näher als mir?« fragte Pastor Haller scherzend, aber es war ein wenig Schärfe in seinem Ton, der harmlos klingen sollte.
»Offengestanden, ja, Herr Pastor«, sagte Johannes Wanderer ruhig.
Ulla Uhlberg lächelte amüsiert.
»Aber was ist das für eine Richtung?« fragte Pastor Haller entsetzt, »welchen Weg gehen Sie denn in religiösen Dingen?«
»Es ist gar keine Richtung«, erklärte Johannes Wanderer freundlich, »ich halte überhaupt nichts von sogenannten Richtungen. Ich denke aber, daß ein Mensch und besonders ein Priester nur einen Weg gehen kann, das ist der Weg nach Damaskus, und wie das im einzelnen Fall geschieht, erscheint mir eigentlich unwesentlich.«
Pastor Haller stand auf. Wahrhaftig, dieser sonderbare Mensch war nicht viel weiter als die einfachen Leute von Halmar. Das kommt von den asiatischen Reisen.
»Nun ja, wie man es nimmt, in diesem Sinne freilich«, sagte er ablenkend, »aber nun müssen wir leider gehen, gnädiges Fräulein, haben Sie vielen Dank für Ihre gastliche Aufnahme.«
»Ich bedaure sehr, daß Sie keine Zeit mehr haben«, meinte Ulla Uhlberg höflich, »der Wagen ist bereit.«
»Es ist sehr freundlich, daß Sie dafür gesorgt haben, wir hätten den Weg nach Hause auch gut zu Fuß machen können«, sagte Frau Haller.
»Es ist weit bis Halmar«, meinte Ulla Uhlberg, »und es ist doch selbstverständlich, daß ich daran dachte, als Sie äußerten, gleich nach Tisch aufbrechen zu wollen.«
Ulla Uhlberg geleitete ihre Gäste zum Wagen. Dann kam sie in die Halle zurück und setzte sich zu Johannes Wanderer.
»Nun habe ich dich endlich einmal ein wenig für mich«, sagte sie befreit, »Pastor Haller meint es ja gut mit all seiner modernen Aufklärung, aber mir ist das schrecklich langweilig und völlig einerlei.«
Johann Wanderer lachte.
»Dir vielleicht«, sagte er, »aber den Leuten in Halmar nicht. Die wollen in der Kirche etwas, woran sie sich halten können, und sie haben recht. Der Altar ist kein Lehrstuhl für theologische Forschungen, und trotz aller modernen Kenntnisse ist es sehr dunkel in der Kirche zu Halmar, wie sich einmal jemand ausdrückte.«
»Wer sagte das?« forschte Ulla Uhlberg, »ich finde es interessant, das so zu sehen und auszudrücken.«
»Das kann ich dir nicht erklären, Ulla, der Mensch, der das sagte, steht zwischen zwei Welten.« »Das klingt so geheimnisvoll«, meinte Ulla Uhlberg, »aber erzähle mir lieber etwas von dir, Johannes. Du bist lange nicht bei mir gewesen. In unserer Schulzeit in Halmar waren wir täglich beisammen. Vergräbst du dich nicht zu sehr in deine Studien? Wie geht es Regine und Mariechen, und was macht Veronika?«
»Ich danke, Ulla, es geht allen soweit gut. Veronika hatte ein wenig Fieber, aber es war nichts Besonderes. Regine und Mariechen haben fleißig zu tun, und die Gartenwirtschaft ist zufriedenstellend. Es ist immerhin eine hübsche Nebeneinnahme zu ihrem Vermögen. Ich helfe ihnen, wo ich kann. Gartenarbeit ist etwas Hochwertiges, es ist Erwerb und Schönheit darin vereinigt, wenn auch vieles recht mühsam ist.«
»Hat Regine eigentlich den Tod des Mannes verwunden?«
»Ich glaube es wohl. Es ist ja auch schon eine ganze Weile her, und ich hatte nicht den Eindruck, daß sie sich sehr nahestanden. Unsere üblichen Ehen bilden eben kaum mehr als eine Gewohnheit. Regine selbst ist auch ein Mensch, der für mein Gefühl nie ganz erwacht ist, sie sagt niemals völlig ja oder nein zu einer Frage des Lebens. Ich habe es oft versucht, sie zu festigen, aber es bleibt ihr etwas Ratloses, auch Veronika gegenüber.«
»Für Veronika war es traurig, daß sie den Vater so zeitig verlor«, meinte Ulla Uhlberg nachdenklich.
Sie dachte an den frühen Tod der eigenen Eltern. Johannes fühlte das.
»Sie hat noch die Mutter, da ist es etwas anderes, als es mit dir war, Ulla. Das Heim ist ihr ja geblieben. Ich kann
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