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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
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kenne ich das alles, was ich sah, schon lange. Ich schäme mich, es zu sagen, daß ich mich dort heimischer gefühlt habe als hier.«
    »Ich kann das verstehen. Aber du bist doch zurückgekommen, Ulla?« Über Ulla Uhlbergs Wangen flog eine feine Röte.
    »Ja, warum, Johannes? Du mußt es doch wissen, daß ich hier zu Hause bin.«
    Sie stand auf.
    »Komm, wir wollen in den Park gehen, es ist eine dumpfe Luft hier. Draußen ist es schön unter den vielen Blumen.«
    Johannes Wanderer folgte ihr.
    »Wolltest du fragen, Ulla, ob ich glaube, daß du schon einmal in Florenz gelebt hast? Ja, das glaube ich, denn du hast heute noch vieles davon behalten. Manches nimmt man mit in ein späteres Leben, weil es sich noch nicht ausgewirkt hat. Wie soll ich dir das sagen, Ulla? Mir scheint es, du bist noch stark an Florenz hängengeblieben und an dem, was damals war.«
    »Hast du das gesehen, Johannes?«
    »Ich habe einiges davon gesehen, nicht alles.«
    »Warum vergißt man das? Es ist eine Erinnerung da, aber sie ist ohne Klarheit.«
    »Man wußte noch mehr davon, als man ein Kind war, Ulla. Auch Veronika weiß noch einiges. Dann vergißt man es. Der größte Teil des Lebens ist Dämmerung geworden, nur halb bewußt. Das ist schwer für uns, aber wir müssen versuchen, aus dem Dunkel ans Licht zu gelangen, und was wir dann besitzen, ist uns wirklich eigen. Doch bis man das lernt, ist es schon so wie du sagst. Man vergißt so leicht, was man nicht vergessen sollte, und später vergißt man schwer, was man gerne vergessen möchte. Es ist wie mit drei Lichtern, die alle anders brennen, bis sie sich ausgleichen und zu einer einzigen, reinen Flamme werden. Das sind Geheimnisse des Lebens, man kann sie nur unbeholfen erklären, man muß in sie hineinwachsen und sie in sich wach werden lassen.«
    »Johannes, als ich in Florenz wohnte, war es mir immer, als stündest du neben mir, und ich hatte das Gefühl, daß wir beide einmal dort gelebt haben und daß wir uns sehr nahestanden, ähnlich wie heute, oder vielleicht noch mehr. Ich kann es nicht so sagen, wie ich es meine.«
    »Wir sind beide in Florenz gewesen, wir waren auch glücklicher als heute, wenn du es so meintest, aber wir wollen es nicht zurückwünschen. Das Glück in Florenz brach in Scherben, und es war ein grauenvoller Morgen, als das geschah. Wir sind heute eine große Stufe weitergekommen, wir müssen noch weiter gelangen, und dabei wollen wir uns beide helfen, Ulla, du und ich. Doch an Florenz mußt du nicht so viel denken, man muß vorwärtsgehen und nicht zurück, und manches muß man vergessen, glaube es mir.«
    »Es ist vieles schwer zu vergessen, Johannes.«
    »Gewiß, aber vergessen heißt nicht auslöschen. Vergiß die Schale, die abfallen soll, und bewahre den Kern des Geschehens. Man kann sich ja alles auch leichter machen, aber das Leben ist schwer für alle, die helfen wollen, und ich will helfen, ich bemühe mich ehrlich darum. Du willst es doch auch, Ulla, nicht wahr? Es warten so viele Menschen und Tiere darauf, die Welt ist verworren, und überall gibt es unerlöste Seelen.«
    »Ich will, was du willst, Johannes«, sagte Ulla Uhlberg einfach. »Ich habe ja dich hier, und ich habe ein Stück von Florenz in diesem alten Gemäuer eingefangen. Findest du nicht auch, daß ich Irreloh prachtvoll umgestaltet habe? Ich wollte, du würdest dich hier recht wohl fühlen, Johannes.«
    »Ich bin gerne bei dir, Ulla, aber ein Schloß liegt mir nicht besonders. Ich will dir nicht die Freude an deinem Besitz nehmen, ich sehe auch, wie hübsch du alles gemacht hast. Der alte Kasten, von dem wir als Kinder schwärmten, ist kaum wiederzuerkennen. Aber dennoch wünschte ich, du hättest Irreloh nicht erworben und dir lieber ein neues Haus gebaut.«
    Über Ulla Uhlbergs Gesicht huschte ein Schatten.
    »Ich dachte, auch dir würde Irreloh gefallen. Es war der Traum unserer Jugendjahre, hier Ritter und verzauberte Königstochter zu spielen, und du hast es versprochen, mich vom Drachen, der mich bewacht, zu erlösen. Weißt du das nicht mehr, Johannes?«
    »Ja, das weiß ich, Ulla, und ich will mein Versprechen halten. Darum sage ich dir ja gerade das alles.«
    Ulla Uhlberg lächelte und setzte sich auf eine steinerne Gartenbank.
    »Komm, setze dich zu mir und erzähle mir, was du an Irreloh auszusetzen hast. Kriegt man hier Rheumatismus oder gibt es am Ende Gespenster?«
    »Sieh einmal, Ulla, ich meine das so: Man hat vieles in sich, dem Wesen und Schicksal nach, was sich

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