Die drei Lichter der kleinen Veronika
ich erst später. Es ist ganz gleich, an welchem Ort es geschieht. Es braucht ja auch kein Mensch zu sein in unserem irdischen Sinne. Das sind große Dinge, und sie sind sehr wirklich, es ist nur schwer, sie in Worte zu fassen. Du selbst bist dem allem vielleicht auch näher, als du glaubst, Ulla, sonst würdest du nicht so fragen.«
»Ich glaube wohl, daß es ein Leben hinter den Dingen gibt, ähnlich dem Dasein, das in die Dinge hineingestellt ist. Es hätte vielleicht keinen Wert, zu leben, wenn es anders wäre. Ich habe es mir nie denken mögen, daß es alles sein könne, was die Menschen in ihrem Alltag sehen und was sie an ihm haben. Darum lohnte es nicht zu atmen und zu kämpfen.«
»Kämpfst du um etwas, Ulla?« fragte Johannes.
Ulla Uhlberg neigte den Kopf.
»Vielleicht, Johannes«, sagte sie leise. »Wir kämpfen wohl alle, aber es weiß niemand, ob er siegt.«
Johannes Wanderer schwieg und sah hinaus in die Blumenpracht des Parkes, über der die Mittagssonne golden und strahlend lag. Wie nahe verwandt war dieser reife Sommertag Ulla Uhlbergs Schönheit! Aber jeder Tag muß über den Mittag hinaus in den Abendfrieden, in eine Nacht und in einen neuen Morgen ... »Sieh einmal, Johannes«, fuhr Ulla Uhlberg fort, »du sprachst von verschiedenen Leben. Ich verstehe das so, daß wir schon vorher in anderen Gestalten auf dieser Erde waren, daß wir wiedergekommen sind und aufs neue wiederkommen werden. Ich kann es mir auch nur so erklären, daß Schicksale sich verketten, sich ausgleichen, sich lösen und wieder verbinden. Darüber habe ich oft gegrübelt, und eigentlich ist mir das immer verständlich gewesen, viel leichter zu begreifen, als daß es zum Beispiel Gespenster gibt und ähnliche übersinnliche Dinge.«
»Man braucht kein Mystiker zu sein, Ulla, um die Wiederverkörperung verständlich zu finden. Sie ist doch, auch nur logisch betrachtet, die einzige Möglichkeit, Ausgleich von Ursachen und Wirkungen und eine Gerechtigkeit in allem Geschehen zu sehn. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß man nicht helfen soll, wo es irgend geht, denn wir brauchen Hilfe und müssen Hilfe erweisen, Menschen, Tieren und allem Leben.«
»Kannst du sehen, Johannes, wer jemand war? Oder hast du es bei irgend jemand gesehen?«
»Ich kann das nur selten, Ulla. Man muß auch sehr vorsichtig mit solchen Wahrnehmungen sein, es wird viel Unfug damit getrieben, und die Täuschung ist da vielleicht noch eher möglich, als in manchen anderen übersinnlichen Fragen. Aber der Grundgedanke als solcher ist gesund, er nähert uns wieder der Weltanschauung, die einmal gottnahe war und die im heutigen Materialismus versandete.«
Ulla Uhlberg hatte das Gefühl, als ob Johannes ablenken wolle.
»Und wenn ich dich etwas darüber fragte?« sagte sie.
»Zum Beispiel, wer Baron Bombe war?« meinte Johannes und lachte, »dein immerwährender Verehrer, nicht wahr?« »Pfui, Johannes«, rief Ulla Uhlberg, »hast du kein reizvolleres Beispiel? Aber wenn du schon dabei bist, weißt du es, wer er war?«
»Ich glaube, darüber lohnt es nicht, weiter nachzudenken. Solche Fragen verlangen viel Kontemplation und Ruhe, ich würde sie nicht an dieses Problem verschwenden. Menschen mit primitivem Standesdünkel und ohne Eigengeltung sind meist im früheren Leben kleine Leute gewesen, sie haben sich in eine vermeintliche Stellung hineingesehnt und sie bleiben darin, bis sie lernen, sich wieder daraus zu befreien. Es sind keine interessanten Inkarnationen, und es lohnt nicht, sich weiter damit abzugeben. Doch es ist schon richtig, daß man solche Äußerlichkeiten anziehen kann. Die innere Verbindung hat natürlich ihre besonderen Gesetze. Ich will nichts Häßliches damit über Baron Bombe sagen, er ist spaßhaft und im übrigen ein harmloses Geschöpf. Man kann ihn ruhig in seinem Traum von der eigenen Vorzüglichkeit lassen.«
Ulla Uhlberg lachte.
»Baron Bombe kann ich mir in solch einem subalternen Leben vorstellen, er hat bloß den Anzug gewechselt, und bei vielen Menschen scheint es mir nicht mehr zu sein, als nur das. Aber manches ist doch sicher sehr lehrreich darin zu erfahren, und ich denke mir oft, wenn ich eine Tischgesellschaft habe, wer nun in Wirklichkeit alle die Menschen sein mögen, die um mich herum sitzen und ihre Maske von heute tragen.«
»Es kämen oft sonderbare Bilder heraus, wenn man die Masken abnehmen wollte«, meinte Johannes Wanderer.
»Weißt du, Johannes, als ich in Florenz war, kam es mir oft so vor, als
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