Die drei Lichter der kleinen Veronika
ausleben und klären muß, Gutes und Böses, aber man zieht auch manches an sich heran aus der Umwelt, mit dem man verwandt ist oder gegen das man nicht stark und bewußt genug angehen kann. So scheint mir die Wahl eines Ortes nicht ganz belanglos, vorausgesetzt, daß man ihn überhaupt wählen kann.«
»Lebst du darum im kleinen Gartenhäuschen und nicht bei Regine und Mariechen?«
»Ja, Ulla, ich kann dort besser arbeiten, es kommen weniger Einflüsse an mich heran. Es ist da mehr Kontemplationsmöglichkeit vorhanden, ein reinerer Boden. Mir kommt es so vor, als wäre mir dort die Brücke zur geistigen Welt ein wenig näher als im Hause der Schatten.«
»Vielleicht hast du recht. So friedlich ist Irreloh nicht. Schau bloß den greulichen hohen Turm an. An ihm ist sogar meine Verschönerungskunst gescheitert, es ist nichts weiter darin als altes Gerümpel. Jetzt hoffe ich bloß noch, daß sich die Eulen dort einnisten, das wäre wirklich romantisch. Ich habe Eulen so gern, aber sie tun mir nicht den Gefallen, den alten Turm zu bewohnen. Hier im Park herum hausen sie, ich höre sie in der Nacht rufen.«
»Ich kann es verstehen, Ulla, daß die Eulen nicht auf dem Turm nisten wollen. Er ist nicht gut. Es ist manches nicht gut in Irreloh.«
»Wie meinst du das? Ich fürchte mich nicht vor Gespenstern.«
»Ich will nicht sagen, daß dort Gespenster sind. Ich weiß das nicht. Ich kenne mich auch in Irreloh nicht so genau aus, wie im Hause der Schatten. Aber ich meine das nur so, daß an allen Dingen etwas hängt, aus früheren Zeiten, nicht greifbar natürlich, aber doch durchaus wirklich. Du mußt bedenken, daß ein hellsichtiger Mensch, wenn er einen Gegenstand in die Hand nimmt, sagen kann, wie sein Besitzer aussah und was für ein Schicksal er hatte. Ich habe das oft erlebt. In diesem Sinn sind überall noch restliche Kräfte, wenn man es so nennen will, aber man muß sie nicht erwecken.«
»Das tue ich ja nicht, Johannes.«
»Vielleicht noch mehr als das. Man muß ihnen oft eine Kraft entgegensetzen, darf ihnen zum mindesten nichts Verwandtes bieten, das uns mit ihnen verketten kann. Hier in Irreloh ist manches, was besser nicht wäre. Irreloh hatte früher einen schlimmen Ruf, es hat falsche Feuer an der Küste gebrannt, und es ist vom Strandgut reich geworden.«
»Ach, das ist lange her, Johannes. Was geht es mich an? Ich habe die falschen Feuer nicht angezündet und habe kein Strandgut geraubt.«
Johannes Wanderer schüttelte den Kopf.
»Du nicht, Ulla, aber ich meine es anders. Wenn ich an mich denke, so sage ich mir, daß auch in mir Gefahren sind und ungeklärte seelische Gebiete. Wir haben alle noch irgendwo ein Feuer in uns, das allzuheftig flackert, wenn auch vielleicht nur unter der Asche, und wir alle haben uns, oft wohl nur unbewußt, am Strandgut des Lebens vergriffen. Das ist so schwierig und geht so seltsam verschlungen ineinander über.«
»Das mag wohl sein, Johannes, aber ich will ja nichts, als das Leben bejahen. Wenn man das tut, wird man gewiß auch mit den alten Geschichten fertig.«
»Ich wünsche dir ja gerade, daß du das Leben richtig bejahst und die Geister von Irreloh ausschaltest, Ulla. Ich warne dich ja nicht, damit du verneinen sollst, gewiß nicht. Aber hast du einmal darüber nachgedacht, wie schwer es ist, das Leben zu bejahen? Die meisten Menschen, die das als gesunde Weltanschauung predigen, bejahen gar nicht das Leben, sondern sie bejahen nur sich selbst. Das Leben verneinen sie – würden sie sonst Kriege führen, Tiere töten und ganze Wälder ausrotten? Das Leben bejahen, heißt alles Leben bejahen, sich selbst in Andacht eingliedern in alles brüderliche Dasein anderer Geschöpfe. Täten die Menschen das, wir wären alle glücklicher und besser. Die heutige Menschheit bejaht nur sich, nicht das Leben. Das Leben verneint sie und nennt das Lebensbejahung. Der Rest ist ein Chaos. Es ist nicht leicht, Ulla, das Leben wirklich so zu bejahen, daß man alles Leben bejaht. Es ist schon ein Problem, wenn man es ehrlich durchdenken und angreifen will.«
Ulla Uhlberg sah mit großen Augen zu Johannes Wanderer auf.
»Du hast viel gedacht, Johannes, ich will gerne von dir lernen. Es ist wahr, daß wir heute in lauter Schlagworten reden und daß es dadurch immer verworrener wird. Ich will auch kein fremdes Leben verneinen, wenn ich meines bejahe. Ich hoffe, es wird mir glücken.«
»Ich will dir dabei helfen, Ulla, so gut ich es kann. Nun muß ich nach Hause.«
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher