Die drei Lichter der kleinen Veronika
erfahren auf den weiten Wanderungen früherer Leben, als daß sie alles hätte vergessen können. Sie konnte auch noch, wie immer, mit Mutzeputz und mit Zottel reden, und sie ließ sich auch nach wie vor von Magister Mützchen beraten. Sie nahm Magister Mützchen nun häufig in ihrem Beutel mit, besonders des Sonntags in die Kirche zu Halmar, und sie freute sich, wenn Mützchen den spaßhaften Kopf mit den wackelnden Ohren und dem roten Hut aus der Tasche hervorstreckte. Es war dies eine erfreuliche Abwechslung, wenn ihr Pastor Haller, wie meistens, ein wenig langweilig in seiner Predigt erschien. Es war auch lustig, zu denken, daß niemand sonst Magister Mützchen bemerkte.
In anderen Fällen ärgerte sie das freilich erheblich, zum Beispiel, wenn die Mädchen von Halmar Magister Mützchen nicht ernst nehmen wollten. Veronika hatte zwar keine eigentlichen Schulfreundinnen, weil sie die Schule in Halmar nicht besuchte, sie war jedoch auf den Wunsch der Mutter mit anderen Mädchen der Stadt bekannt geworden, und daß diese von Magister Mützchen nichts wissen wollten und ihn lachend für einen Ulk von Veronika erklärten, hatte sie sehr gekränkt. So war es zu keiner weiteren Annäherung gekommen, und das um so weniger, als die Mädchen von Halmar in Mutzeputz auch nur eine Katze sahen und in Zottel einen Hund, und keine Persönlichkeiten von Rang und Würde. Es war ein Gefühl von Einsamkeit, das Veronika dabei überkommen hatte, noch nicht so schmerzhaft deutlich natürlich, denn sie lebte ja im geborgenen Heim und war gewiß nicht allein. Doch es war erste Ahnung dessen, wie einsam die Menschen werden, die hinter die Dinge schaun, und wie fern sie den anderen Leuten rücken, die nur die laute Straße des äußeren Lebens gehn.
So zog sich Veronika etwas zurück, und nur der blöde Peter blieb immer ihr treuer Spielgefährte. Auch über Peter hatten die Mädchen gelacht, und Veronika konnte ihnen das nicht verzeihen. Man mochte vielleicht begreifen, daß andere Magister Mützchen nicht sahen – er war ja so dünn und durchsichtig, weil er nichts aß –, man konnte es unter Umständen verzeihlich finden, daß Fernerstehende Mutzeputz und Zottel nicht so hoch einschätzten, wie sie es bei näherer Bekanntschaft doch wohl fraglos getan hätten. Doch daß man über Peter lachen konnte, weil er manches schwer verstand, das fand sie roh, und sie stellte sich mutig vor den blöden Kameraden der Kindheit. Gewiß, die anderen wußten mehr, aber Peter glaubte. War Glauben nicht auch eine Kraft und vielleicht die größere? Es ist wahr, die anderen Menschen verstanden es besser als Peter, was alle verstehen und was alltäglich ist, aber begriff nicht Peter alles, was sie ihm von Mutzeputz, von Zottel und Magister Mützchen erzählte oder vom Bilderbuch der grauen Frau? Tief innerlich erfaßte Veronika wieviel näher dem Sinne des Lebens der blöde Peter war, wie viel näher ihr selber, den Tieren und Blumen und einer anderen Welt, die wirklicher, größer und heller war als Halmar mit seinen engen Gassen und seinen dunklen Häusern.
Und der blöde Peter verehrte sie. War es nicht schön, verehrt zu werden? Sie verehrte ja auch jemand, zum Beispiel Mutzeputz und Onkel Johannes.
Die Vielen leben nach außen, die Wenigen leben nach innen, und so leben die Menschen sich auseinander, die sich finden und helfen sollten. Die Zeit ist wirr geworden, und die Seelen gehn aneinander vorbei. Ihr, die ihr heute atmet, denkt daran: Es ist eine Weltenwende gekommen, und die Wege scheiden sich. Sie führen steil in die Höhen des Lichts oder hinab in die Täler der Tiefe. Es ist nicht gut, wie es ist, und die Erde ist allzu dunkel geworden. So dunkel war sie vielleicht noch nie. Ihr, die ihr heute atmet, denkt an der Menschheit Jugendland und lernt es wieder suchen und finden. Durchlichtet die Häuser der Schatten, daß ihr wieder in Tempeln und hellen Hütten wohnt, wie einstmals an einem ersten Morgen. Es ist der Geist der Pfingsten, der euch ruft und den ihr vergessen habt. Pfingsten ist wieder nahegekommen – wollt ihr es nicht begreifen?
Es war auch wenige Tage vor Pfingsten, als das Wunder der Kröte geschah, von dem ich erzählen muß, weil es ein neuer Meilenstein wurde mit goldenen Lettern und Zeichen im Leben der kleinen Veronika.
Es war gegen Abend, und die Sonne neigte sich. Johannes Wanderer und Peter arbeiteten im Garten an einem Blumenbeet, und Veronika half ihnen ein wenig lässig dabei. Sie war heute nicht dazu
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