Die drei Musketiere
Aufenthalt oder Unfall gelangten sie indessen nach Chantilly, wo sie in demselben Gasthof abstiegen wie auf ihrer ersten Tour. Der Wirt trat ehrerbietig auf die Schwelle, als er einen jungen Gardereiter mit Pagen und zwei Handpferden vor seinem Hause halten sah. Die Garderegimenter rekrutierten sich damals ausschließlich aus den alten
Adelsgeschlechtern des Reiches, und so war es nicht weiter zu verwundern, daß der Wirt es sich nicht nehmen lassen wollte, seinen vornehmen Gast selbst zu bedienen. D'Artagnan wehrte es ihm nicht, bat aber um zwei Gläser und ließ sich in folgendes Gespräch ein:
»Meiner Treu, Herr Wirt, ich habe von Ihrem Besten verlangt, und wenn Sie mich mit einer schlechten Marke bedient haben, so sollen Sie für Ihre Sünde mit büßen; allein trinke ich eine Bouteille nicht gern aus, drum setzen Sie sich mit her und leisten Sie mir Gesellschaft. Worauf stoßen wir an, um nicht irgendwo anzuecken? Auf das Gedeihen Ihres Hauses!« – »Euer Gnaden erweisen mir sehr viel Ehre«, sagte der Wirt, »und ich
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bin von Herzen dankbar für den freundlichen Wunsch.« – »Aber täuschen Sie sich nicht«, versetzt e d'Artagnan: »ich bin doch nicht frei von selbstsüchtigen Gedanken, wenn ich solchen Spruch ausbringe. Ich bin ziemlich viel unterwegs und weiß, daß Reisende immer nur dann in Gasthöfen gute Unterkunft finden, wenn es den Wirten gut geht.« – »Mir scheint, Euer Gnaden sind auch nicht das erste Mal mein Gast?« fragte der Wirt. – »Ich bin schon wiederholt in Chantilly gewesen und jedesmal bei Ihnen eingekehrt, zuletzt vor etwa zehn Tagen, in Begleitung von drei Musketieren. Sie werden sich wohl besinnen, wenn ich Sie erinnere, daß einer davon hier in der Gaststube mit einem Fremden, Gott weiß, aus welchem Grund, Händel bekam.« –
»Ach, richtig«, sagte der Wirt, »Sie haben recht! Vom Herrn Porthos sprechen Euer Gnaden?« – »Ja so hieß mein Kamerad...
Es ist ihm doch kein Unglück passiert, Herr Wirt?« – »Aber Euer Gnaden haben doch bemerken müssen, daß er seine Reise unterbrochen hat?« fragte der Wirt. – »Allerdings, er hatte versprochen, nachzukommen, und wir haben ihn nicht mehr gesehen.« – »Er hat uns die Ehre erwiesen, hierzubleiben.« –
»Was Sie sagen!« – »Ja, und nichts weniger als uns zur Freude«, sagte seufzend der Wirt. – »Inwiefern?« – »Hm, er hat schon viel aufkreiden lassen, nur zuviel!« – »Oh, was er schuldig ist, wird er auch bezahlen«, sagte d'Artagnan. – »Euer Gnaden Worte sind Balsam für mein Herz«, erwiderte der Wirt. »Wir haben wirklich schon tüchtig bluten müssen, und erst heute morgen hat der Wundarzt gesagt, daß er sich, wenn Herr Porthos nicht bezahlte, an mich halten würde, denn ich hätte ihn rufen lassen, und nicht Herr Porthos.« – »Aber ist denn Porthos verwundet?« – »Ich könnte es nicht sagen, Herr.« – »Wie soll ich das verstehen? Ich sollte meinen, das müßten Sie doch am besten wissen!«
»Das schon, aber wir sprechen in unserm Beruf nicht von allem, was wir wissen, Herr, besonders, wenn uns gesagt worden ist, daß wir mit unsern Ohren für unsere Zungen
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einstehen.« – »Aber ich kann doch zu ihm?« fragte d'Artagnan.
– »Gewiß, Herr! Die Stiege hier hinauf, Nummer 4, im ersten Stock. Bloß sagen Sie, daß Sie es sind; denn Herr Porthos läßt niemand aus dem Hause in seine Stube; und wenn er dächte, daß ich ihn behelligen wollte, könnte es Ihnen passieren, daß er Ihnen den Degen in den Leib rennt oder den Schädel
einschlägt.« – »Was haben Sie denn mit ihm angestellt?«
»Weiter nichts, als daß ich mein Geld gefordert habe.« –
»Teufel auch! Dann kann ich's mir freilich denken. Wenn Porthos nicht bei Kasse ist, versteht er bei solchem Begehr keinen Spaß; aber meiner Meinung nach muß er doch Geld haben!«
»Das haben wir auch gedacht, Herr; bei uns im Hause herrscht in allen Dingen strenge Ordnung, und alle acht Tage werden die Rechnungen ausgeschrieben und vorgelegt. Wir mö gen aber wohl in einem schlimmen Moment an ihn herangetreten sein, denn beim ersten Wort, das aus unserm Munde fiel, hieß er uns zu allen Teufeln gehen. Allerdings hatte er die Nacht vorher gespielt.« – »Was, gespielt? Und mit wem?« – »Ja, wer weiß das? Mit irgendeinem Herrn von Adel, den der Weg
vorbeiführte, und dem er eine Partie Landsknecht vorschlug.« –
»Und dabei hat der Pechvogel gehörig geblutet?« – »Alles hat er verspielt, sogar sein
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